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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman
Autoren: Elizabeth Haran
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verführerisch einzusetzen? Sicherlich niemand aus ihrer strengen Familie. Victoria wurde vondem Gedanken gequält, Tara sei eine Gefangene der Zigeuner – doch die Wahrheit schien Riordan noch viel schlimmer. Victoria darf das nie erfahren, schwor er sich selbst – niemals!
    Als die Musik schneller wurde, folgten Taras Bewegungen dem rascheren Rhythmus. Ihre nackten Füße wirbelten Staub auf, und sie warf den Kopf zurück, während sie ihren wohlgeformten Hals nach hinten bog und die langen Haare ihr als leuchtende Flut über die Schultern fielen.
    Die Männer starrten sie mit unverhohlenem Begehren an, als ihre Bewegungen immer sinnlicher und erregender wurden. Riordan wurde wieder wütend – wütender als jemals vorher in seinem Leben. Er dachte an all die Tage und Wochen, die er mit der Suche nach ihr verschwendet hatte. Er hatte seine Geschäfte vernachlässigt und ebenso sein Privatleben. Wie unendlich töricht von ihm, jemals geglaubt zu haben, dass sie auf Rettung wartete! Tara war genau dort, wo sie sein wollte.
    Plötzlich konnte er sich nicht länger zurückhalten; er kroch aus seinem Versteck und drängte sich durch die Menge nach vorn.
    »Tara!«, schrie er. »Wie konnten Sie ... das tun?«
    Jemand packte ihn am Kragen, und er fühlte sich zu Boden gedrückt und von Männern umringt. Abrupt verstummte die Musik. Er griff nach seiner Pistole, doch die Zigeuner waren schneller. Hasserfüllte Blicke aus dunklen Augen durchbohrten ihn; das Letzte, das er bewusst wahrnahm, nachdem mehrere Faustschläge sein Gesicht und Fußtritte seinen Körper getroffen hatten, war Tara, die mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen auf ihn herabblickte. Danach überkam ihn gnädiges Vergessen.
    Fröhliches Vogelgezwitscher war die erste Wahrnehmung, die in Riordans Bewusstsein drang. Dann spürte er ein schmerzhaftes Pochen in seiner Schulter und hörte seltsame, halb erstickte Grunzlaute, die etwas Tierisches hatten.
    Mit größter Anstrengung öffnete er eines seiner fast zugeschwollenen Augen und blinzelte ins Sonnenlicht. Einhünenhafter, bärtiger Mann stand über ihn gebeugt und zielte mit einem alten Gewehr genau auf seinen Kopf. Riordan versuchte, seine Beine zu bewegen, und eine Woge der Panik überkam ihn, als er meinte, von der Taille abwärts gelähmt zu sein. Doch dann stellte er rasch fest, dass die untere Hälfte seines Körpers in einer grabähnlichen Vertiefung steckte und mit Erde bedeckt war.
    ter, bärtiger Mann stand über ihn gebeugt und zielte mit einem alten Gewehr genau auf seinen Kopf. Riordan versuchte, seine Beine zu bewegen, und eine Woge der Panik überkam ihn, als er meinte, von der Taille abwärts gelähmt zu sein. Doch dann stellte er rasch fest, dass die untere Hälfte seines Körpers in einer grabähnlichen Vertiefung steckte und mit Erde bedeckt war.
    Jeder Zentimeter seines Oberkörpers schmerzte höllisch, und sein Gesicht war geschwollen und blutverkrustet. Riordan wusste, es war ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte. Doch er vermochte keine Erleichterung darüber zu verspüren, und noch weniger Freude. Als die Erinnerung an die nur wenige Stunden zurückliegenden Ereignisse in sein Bewusstsein drang, fühlte er nichts als tiefe Resignation. Die Zigeuner waren fort.

1
    Sieben Jahre später
    A ls sich die Frau, die sich Lady Morna Bowers nannte, ihrem Ziel näherte, überprüfte sie nervös ihre äußere Erscheinung. Sie zupfte an ihrem Schleier, bis sie sicher war, dass er ihr Gesicht verbarg, und vergewisserte sich, ob sie nicht schon wieder einen der kleinen Zierknöpfe auf der Vorderseite ihres Witwenkleides verloren hatte.
    Beim Anblick der Knöpfe musste sie unvermittelt an den letzten Abend denken, den sie mit ihrer Familie verbracht hatte. Es hatte ein festlicher Abend voller Fröhlichkeit werden sollen, doch die Erinnerung daran war furchtbar, die Ereignisse von damals genau der Grund, warum sie nun gezwungen war, harmlose Menschen zu betrügen, um an die Mittel zu gelangen, die sie zum Leben brauchte.
    Lady Bowers umfasste ihr flaches, aber sperriges Paket mit festem Griff, was in den vornehmen Spitzenhandschuhen nicht eben einfach war. Dann blickte sie über die Grafton Street, eine der geschäftigsten Straßen von Dublin, hinweg in die Darby Lane, wo sie schon ihr Ziel erkennen konnte, die Harcourt Gallery. Nach einem tiefen Atemzug trat sie vom Gehweg auf die Straße.
    »Vorsicht!«, rief jemand.
    Zwei Kutschpferde scheuten vor der Hupe eines Automobils, gingen
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