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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman
Autoren: Elizabeth Haran
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empört zurückzuweisen, als sie seinem Blick begegnete und das mutwillige Zwinkern darin sah. Ihr Verdacht, er wisse, dass sie nicht wirklich Lady Bowers war, erhärtete sich, aber sie hoffte, er werde Gentleman genug sein, sie nicht allzu offen des Betrugs zu beschuldigen. Außerdem hatte er offensichtlich Devlin Bowers nicht persönlich gekannt, sodass er ihr ihre Lügen nicht würde beweisen können, zumindest nicht, ohne vorher einige Nachforschungen anzustellen.
    Wieder zwinkerte er ihr zu, und seine Lippen verzogen sich zu einem verschwörerischen Lächeln.
    »Ich hege den Verdacht, Mr. Magee«, sagte sie, »dass bei Ihnenunter der glatten Fassade eines Gentleman das Herz eines Schurken schlägt. Ich muss Sie warnen: Man hält mich nicht ungestraft zum Narren!«
    Riordan setzte eine gekränkte Miene auf, um dann zu erklären: »Bitte nehmen Sie es sich nicht zu Herzen, Lady Bowers, aber ich habe den Eindruck, dass ich es bin, der heute von Ihnen in der Kunst der Verstellung etwas lernen kann!« Ein weiteres verschmitztes Lächeln nahm seinen Worten die Schärfe.
    Das Schellen einer Messingglocke ertönte, als Riordan Magee Lady Bowers an der Eingangstür der Harcourt Gallery den Vortritt ließ. Nach einem tiefen Atemzug gegen die plötzlich aufsteigende Nervosität ging sie hinein und fühlte sich augenblicklich eingeschüchtert angesichts der gediegenen Atmosphäre in Irlands berühmtester Kunstgalerie.
    Ölgemälde und Aquarelle, manche davon in wertvollen Rahmen, schmückten die Wände, Skulpturen aus Bronze und Stein standen neben reich verzierten Säulen und Bögen. Die angebliche Lady Bowers fühlte sich sehr verunsichert; unter normalen Umständen hätte sie niemals gewagt, ein solches Gebäude zu betreten.
    Da Riordan Magee an der Tür von einem Bekannten aufgehalten wurde, ging sie ohne ihn weiter auf einen gut gekleideten Gentleman im hinteren Teil der Galerie zu. Er beobachtete sie von seinem riesigen Sessel aus, während seine Miene mäßige Neugier und Herablassung spiegelte. Sie schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter, als sie seinen Blick auf das in zerknittertes braunes Papier gewickelte Bild gerichtet sah, das Riordan im Flur abgestellt hatte, und auf den schmutzigen Saum ihres Kleides.
    Der fremde Mann erhob sich, bevor Lady Bowers ihn erreicht hatte, und sie stellte fest, dass sein Sessel gar keine so riesigen Ausmaße besaß, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte. Der Mann war nur sehr klein. Er wirkte unsympathisch und abweisend, und seine Worte bestätigten diesen Eindruck voll und ganz.
    »Wenn Sie verkaufen wollen, Madam: Wir machen keine Geschäfte mit Kunden, die uns nicht persönlich empfohlen worden sind.« Seine Worte schienen in der Stille der Galerie nachzuklingen wie ein Echo und verstärkten die Woge der Scham, die in Morna aufstieg.
    Ihr Kopf war plötzlich ganz leer, und es verstrichen einige seltsame Momente, bevor es ihr gelang, ihre Gedanken zu ordnen. Als sie schließlich sprechen konnte, klang ihre Stimme zaghaft. »Würden Sie mir bitte einige Minuten Ihrer Zeit schenken? Ich verspreche Ihnen, dass es lohnend für Sie sein wird.« Sie schluchzte in ihr Taschentuch, doch ihre offensichtliche Verzweiflung schien den Mann nicht zu rühren.
    »Es tut mir Leid, Madam. Wir machen absolut keine Ausnahmen.« Seine Worte klangen nicht im Mindesten mitfühlend, und er entließ Lady Bowers durch einen Wink seiner kurzfingrigen Hand.
    Lady Bowers fühlte sich zutiefst gedemütigt. All die Stunden, in denen sie für diesen Moment geprobt hatte, fielen ihr ein, und sie wollte nicht glauben, dass alles umsonst gewesen sein sollte. Obwohl ihr häufig mit Verachtung begegnet wurde, hatte sie sich nie daran gewöhnt. Hinzu kam, dass sie sich vor Riordan Magee ausgesprochen blamiert fühlte. Wenigstens war er nicht direkt Zeuge der erniedrigenden Abfuhr geworden!
    »Es tut mir Leid, dass ich Sie warten ließ, Lady Bowers!«, sagte er in diesem Moment genau hinter ihr, und sie zuckte erschrocken zusammen. Zögernd wandte sie sich um, fieberhaft nach Worten ringend, um ihre Demütigung vor ihm zu verbergen. Doch ihr fiel absolut nichts ein. Um die ganze Sache noch schlimmer zu machen, fühlte sie, wie ihr die Tränen kamen.
    »Was für ein herzloser Mensch ...«, stammelte sie. Das Mindeste, worauf sie hoffen konnte, war ein wenig Mitgefühl. »Er ist anscheinend zu beschäftigt, um mir einen kurzen Moment seiner Zeit zu gewähren, nachdem ich stundenlang unterwegs war, um hierher zu
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