Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine
Autoren: Gary Goshgarian
Vom Netzwerk:
bewahrt haben.«
    Vor dem delftblauen Himmel kreuzten zahllose Segelboote im leichten Wind, die Luft schmeckte salzig, und die blaue Weite wirkte befreiend. Peter freute sich auf sechs Wochen, in denen die Sonne zur Abwechslung über dem Land aufgehen und im Meer versinken würde, Wochen im Einklang mit der Natur.
    »… rechts von uns liegt Shepherd’s Island mit dem staatlichen Jugendgefängnis …«
    Andy saß die ganze Zeit über dicht neben Peter und hielt die etwas ramponierte Stoffpuppe Lambkin fest umklammert. Lambkin war Andys erstes Spielzeug – halb Lämmchen, halb Farmerjunge mit großen Augen, einem hübschen Gesicht und rot kariertem Hemd und Overall. Linda und Peter hatten es in einem Geschäft am Harvard Square gekauft, nachdem sie Andy zum ersten Mal als Schatten auf einem Ultraschallbild betrachtet hatten. Peter erinnerte sich noch gut daran, wie Linda etwas später am selben Tag nackt aus dem Bad gekommen war – mit rosigen Melonenbrüsten und nasenähnlich hervorstehendem Nabel. »Hast du Lust auf einen Wal?«
    »Sag Jonas zu mir.« Sie hatten einander geliebt, und Lambkin hatte grinsend von der Kommode aus zugesehen.
    Peter verbrachte noch immer sehr viel Zeit in der Vergangenheit, und in Augenblicken wie diesen suchte er gern dort Zuflucht.
    »Vor uns liegt Kingdom Head – die einzige Insel in Privatbesitz. Der Ursprung des Namens liegt im Dunkel. Vielleicht hat ein eifriger Priester sie einst so getauft, weil Amerika für ihn das gelobte Land bedeutete. Die Ureinwohner waren jedenfalls anderer Meinung. Kingdom Head war als einzige Insel in dieser Bucht zu keiner Zeit von Indianern besiedelt. Trotzdem hält sich hartnäckig das Gerücht, dass hier ein Geist umgeht … eine indianische Hexenbraut …«
    In diesem Augenblick geriet eine mindestens fünfundzwanzig Meter lange Jacht mit hoch aufragendem Bug, offenem Achterdeck, Laufbrücke und imponierender Radaranlage in ihr Blickfeld, auf der mindestens acht bis zehn Personen Platz fanden. Aus dem Nichts aufgetaucht, begleitete sie die Fähre ein Stück, bevor sie mit hoch aufspritzenden Wasserfontänen in einer engen Kurve in Richtung Kingdom Head abdrehte.
    »Mit gut einem Quadratkilometer ist Kingdom Head die größte Insel in der Hafenbucht von Boston – außerdem besitzt sie als einzige größeren Baumbestand. Viele der alten Eichen werden jedoch den Baumaßnahmen weichen müssen …«
    Peter konnte drei Personen auf der Jacht erkennen: zwei in der Kabine und eine dritte, ganz in Weiß gekleidet, auf der Brücke.
    »Die schweren Baumaschinen, die Sie am Strand erkennen können, vermitteln einen guten Eindruck vom Umfang der Arbeiten. Die Ortskundigen unter Ihnen wissen vermutlich bereits, dass hier das, wie die Investoren hoffen, ultimative Ferienzentrum des Nordostens, ein neues Hilton Head oder Las Vegas, entsteht. Neben Eigentumswohnungs- und Hotelanlagen sind Restaurants, Geschäfte, Tennisplätze, ein Golfplatz und Jachthäfen geplant. Eine besondere Attraktion wird das Kasino auf der östlichen Klippe, dem so genannten Pulpit’s Point, darstellen. Wie Sie sicher wissen, hat sich daran sogar eine Gesetzeskontroverse entzündet …«
    Während die Fähre nach Süden auf George’s Island zusteuerte, entschwand der Kabinenkreuzer in einer milchig weißen Spur aufgewühlten Wassers. Auf dem breiten Heck darüber leuchteten goldene Buchstaben: K INGDOM C OME .
    Das kommende Königreich.
    Die Messingbuchstaben blitzten im Sonnenlicht, als das Wassertaxi wenig später die Bucht ansteuerte. Die Jacht beanspruchte fast die gesamte Länge der Anlegestelle unterhalb von Pulpit’s Point für sich allein. Aus der Nähe besehen, wirkten Antennen, Radarschirm und die High-Tech-Funkanlage noch imposanter. Mit Sicherheit war der Besitzer nicht auf das Gehalt eines Archäologiedozenten angewiesen, dachte Peter.
    »Wie ich sehe, ist Donald Trump schon da«, rief er Dan Merritt zu, der ihn auf dem Pier erwartete.
    »Nicht ganz falsch«, antwortete Merritt. »Es ist E. Fane Hatcher, Mister Kingdom Associates.«
    »Wohl eher Mister Bugsy Siegel, der Zweite.«
    »Einem geschenkten Gaul schaut man bekanntlich nicht ins Maul. Außerdem ist das Gerede über Bestechungsaffären oft ziemlich fragwürdig, oder nicht?«
    »Mag sein, aber ist es nicht zumindest verwunderlich, dass ausgerechnet Hatcher die erste Kasinolizenz bekommen hat, die nicht an einen Ureinwohner geht?«
    Bisher wurden Kasinolizenzen ausschließlich an Indianer-Reservate
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher