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Der Ruf der Finsternis - Algarad 2

Der Ruf der Finsternis - Algarad 2

Titel: Der Ruf der Finsternis - Algarad 2
Autoren: Marcus Reichard
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Geräusch nach dem Habicht schlugen. Ein mehrzackiger Schwanz peitschte umher, um den fliehenden Vogel mit seinem giftigen Stachel zu verletzen.
    Xaxis! Obwohl der Habicht das Wort, das plötzlich in seinem Inneren widerhallte, nicht wirklich verstand, wusste er, dass es Tod und Vernichtung bedeutete. Das Ungeheuer sauste im Sturzflug hinter ihm her, wieder verfehlte der Hieb des Stachelschwanzes ihn nur knapp. Der kleine Habicht drehte sich blitzschnell um die eigene Achse, entfaltete den rechten Flügel und kippte in die andere Richtung. Sein Verfolger schossan ihm vorbei, wobei sein eiserner Schnabel eine Schwinge streifte und Federn mit sich riss. Wild flatternd bremste der Habicht den Sturz und gewann an Höhe, um auf einem kleinen Steinsims zu landen. Es gehörte zu einem schmalen Guckloch, das in einen Raum im Inneren eines Turms führte. Die Öffnung war gerade breit genug, um sich hindurchzuzwängen – und keinen Augenblick zu früh! Schon rauschte der Xaxis von unten heran, seine Metallklauen schlugen erneut nach ihm, doch sie erwischten nur ein paar Rückenfedern. Der Habicht schlüpfte durch die Öffnung, flatterte in die kahle Steinkammer und schlug hart auf dem Boden auf. Mit wild pochendem Herzen und ausgebreiteten Flügeln blieb er dort liegen.
    Von draußen klang das Kreischen des Xaxis herein. Das Flugwesen war zu groß und konnte sich nicht durch die Öffnung zwängen. Wütend darüber, dass es den Vogel nicht fassen konnte, stieg das Ungeheuer vor der Luke auf und ab und spähte ins Innere des Raumes. Erst nach einer geraumen Weile ließ es von seiner Beute ab und schwang sich wieder empor. Seine Schwingen ließen den Pesthauch des Todes in der Kammer zurück.
    Der kleine Habicht brauchte einige Zeit, bis er sich von der wilden Verfolgungsjagd erholt hatte. Als er sich überzeugt hatte, dass der Xaxis wirklich verschwunden war, stemmte er sich auf die Klauenfüße und untersuchte wachsam seine Umgebung. Überall an den Wänden der Kammer standen Regale, randvoll mit Reagenzgläsern, Phiolen und Kästchen, die mit Schlössern versehen waren. In einem Teil seines Bewusstseins spürte der Habicht den Hauch einer Erinnerung. Er kannte Dinge wie diese aus seiner Vergangenheit, aus einem anderen Zustand seines Geistes, und wusste instinktiv, dass eine potenzielle Gefahr davon ausging. Die Gegenstände konnten zerstörenund Unheil bringen, man hielt sich besser fern von ihnen.
    Bedächtig legte er die Flügel an und ordnete mit dem Schnabel sorgsam sein Gefieder. Dann schloss er die Augen, als wolle er schlafen.
    Nach einigen Momenten machte sich eine seltsame Veränderung bemerkbar: Die Gestalt des Vogels begann sich zu wandeln, unmerklich zuerst und dann immer deutlicher. Die Federn schrumpften und zogen sich in den Körper des Vogels zurück. Der Leib begann sich auszudehnen und zu wachsen, wurde immer größer und größer. Die Schwingen und Greiffüße verwandelten sich allmählich in menschliche Arme und Beine. Schließlich formte sich dort, wo der Schnabel und die Augen gewesen waren, ein menschlicher Kopf mit krausem Haar. Aus dem Habicht wurde ein kleiner, dicklicher Mann mit weißem Haarkranz, der jetzt schwankend auf die Beine kam und sich stöhnend den Schmutz von seinen schäbigen Kleidern klopfte.
    »Bei Belgon und allen verdorbenen Wassergeistern! Warum muss ich mir solche halsbrecherischen Abenteuer bloß antun? Ich bin wahrlich zu alt für solchen Unfug. Und die Rückverwandlung dauerte in meinen jungen Jahren auch nicht so lange ...«
    Osyn, der alte Comori-Meister von der Insel Gondun, drückte ächzend den schmerzenden Rücken durch. Dann richtete sich sein Blick entschlossen auf die Tür der kleinen Kammer. »Wollen doch mal sehen, ob ich an diesem düsteren Ort nicht finde, was ich suche ...«

2
    Weit entfernt im Westen des Reichs von Algarad erhob sich eine kleine Gruppe von Inseln aus den Fluten des Narnen-Meers. Sie trugen keinen Namen, denn sie waren unbewohnt und unwirtlich, und auf keiner Seekarte Algarads verzeichnet. Hohe Felsenklippen umgaben schützend eine weite Wasserfläche, die selbst während eines Sturms kaum in Bewegung geriet. Dies machte die Inseln zu einem vortrefflichen Versteck für die sagenhafte Schwimmende Festung der Dan-Ritter, die man Garadin nannte.
    Neben der Hauptstadt Meledin bildete Garadin das taktische und strategische Zentrum Algarads. Hier wurden die geheimen Schriften des Ordens der Dan-Ritter aufbewahrt, ihr verborgenes magisches Wissen, das
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