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Der rollende Galgen

Der rollende Galgen

Titel: Der rollende Galgen
Autoren: Jason Dark
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können.
    Aconagua wirkte kein bißchen müde. Elastisch wirkten seine weiten Schritte.
    »Weißt du, wo der hinläuft?« fragte Suko.
    »Ich kann es mir denken!« Wir rannten los. »Brooklyn Bridge«, sagte ich nur noch.
    ***
    Ausgerechnet die Brücke.
    Dieses gewaltige Stahlbauwerk, das die Stadtteile Brooklyn und Manhattan verband, überspannte den südlichen East River. Die Brücke war eine Legende, eine gewaltige Konstruktion aus Stahl und Beton. Es gab Leute, die sie als mörderisch bezeichneten. Andere wiederum bekamen bei ihrem Anblick erotische Gefühle.
    Für mich war sie eher mörderisch; denn als ich unter ihr stand, da spürte ich erst einmal, wie klein der Mensch war. Über uns rollte der Verkehr und auch an uns vorbei.
    Die Stahlkonstruktion verdiente den Namen gigantisch. Sie wirkte wie ein stählerner Saurier. Und sie war gleichzeitig der Arbeitsplatz des Mannes, den wir jagen mußten.
    Wir hatten ihn verfolgen können, obwohl er sehr schnell gewesen war. Auch unsere Kondition war nicht so ohne. Irgendwo mußte es Aufgänge geben, das stand fest.
    Zudem gingen wir davon aus, daß dieser Mensch nicht unbedingt auffallen wollte und deshalb einen Aufgang nahm, der ziemlich im Dunklen lag. Jetzt hätten wir die Hilfe unseres Freundes Abe Douglas gebrauchen können, der aber war weit entfernt.
    Wie aus dem Nichts war er da!
    Der Galgen rollte wieder. Diesmal jedoch leer. Nur die Schlinge baumelte im Wind, und er wurde auch nicht mehr von einer geisterhaften Plasmawolke umgeben.
    War er normal geworden?
    Ich rechnete damit, enterte das Podest, konnte mich an der Schlinge festhalten, ohne daß etwas geschah.
    »Suko, wir haben ihn vertrieben.« Da die Straße leicht abschüssig war, rollte der Galgen weiter und wurde plötzlich auch von anderen Menschen entdeckt und bestaunt.
    New Yorker sind manchmal wie Kinder. Plötzlich hatte sich eine Traube um den Galgen gebildet. Es gab einige unter ihnen, die den rollenden Galgen für eine neue Performance der schaurigen Art hielten. Sollten sie meinetwegen; der Galgen interessierte uns nicht mehr. Für mich war es wichtiger, Aconagua zu stoppen.
    Suko entdeckte einen Aufgang. Eine stählerne Wendeltreppe, immer wieder von Plattformen unterbrochen.
    Das war unser Weg.
    Natürlich gelangten wir nicht auf die erste Fahrbahn. Es gab mehrere Etagen, aber wir befanden uns in der Nähe der beiden größeren Bögen, die wie ein gemaltes Bild in der Nacht standen. Sie markierten die Auffahrt zur Brücke.
    Wie Zwerge kamen wir uns vor, als wir die Köpfe in den Nacken legten und hochschauten.
    »Daaaa…!« Meine Stimme überschlug sich fast, als ich das Wort schrie, denn ich hatte ihn entdeckt. Ihn und sein Opfer. Er kletterte durch das Gestänge dicht an der Seite des Torbogens in die Höhe. Das Mädchen lag noch immer auf seiner Schulter. Es war dort oben windiger, sein Haar flatterte.
    »Ich versuche es von der anderen Seile!« keuchte Suko. »Klettere du ihm nach.«
    »Viel Glück!«
    Das konnten wir beide brauchen. Ich wußte nicht, ob uns Aconagua schon entdeckt hatte. Anzeichen dafür konnte ich nicht erkennen, er kletterte auch nicht mehr weiter.
    Über der Fahrbahn und auch schon über der zitternden, schwarzgrauen und von Reflexen übersäten Wasserfläche des East River. Ich wußte nicht, was er vorhatte, denn seine Geisel hing noch über seiner Schulter. Er bewegte sich einige Male, hielt sich einmal nur mit einer Hand fest und werkelte an seinem Gürtel herum.
    Das sah ich, während ich höher kletterte.
    Himmel, war das ein Gefühl. Die Autos jagten in Kopfhöhe entlang. Erst huschten die bleichen Lichter der Scheinwerfer heran, dann stürmten die Fahrzeuge an mir vorbei. Ich roch die Auspuffgase, nahm auch den Gestank von Gummi auf und quälte mich höher in das Gestänge. Ich war kein geübter Kletterer. Im Vergleich zu Aconagua mußte ich wie eine Witzfigur wirken. Zum Glück war der noch beschäftigt. So kam ich ihm keuchend näher, ohne daß er es merkte.
    Nur nicht auf einen Kampf einlassen, so lautete meine Devise. Es wäre schlimm gewesen, wenn wir uns in dieser Situation geprügelt hätten. Da warerdank seiner Routine, Cleverneß und auch tigerhaften Geschmeidigkeit immer im Vorteil.
    In den Straßenschluchten der Halbinsel hatte ich den Wind vermißt. Hier blies er mir bereits zu stark. Wie mit Fingern strich er durch mein Gesicht und fuhr auch in die Augen, daß sie zu tränen anfingen. Automatisch griff ich weiter, fand auch mit den Füßen immer
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