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Der Richter und sein Henker (German Edition)

Der Richter und sein Henker (German Edition)

Titel: Der Richter und sein Henker (German Edition)
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Nationalrat sagt, kommt nicht ins Protokoll«, befahl er sachlich.
    Der Nationalrat war mit einem Schlag nüchtern.
    »In was für ein Protokoll, Mano?«
    Als Kommissär von der Berner Kriminalpolizei, erläuterte Bärlach, müsse er eine Untersuchung über den Mord an Polizeileutnant Schmied durchführen. Es sei eigentlich seine Pflicht, alles, was die verschiedenen Personen auf bestimmte Fragen geantwortet hätten, zu Protokoll zu geben, aber weil der Herr – er zögerte einen Moment, welchen Titel er jetzt wählen sollte – Oberst offenbar die Lage falsch einschätze, wolle er die Antwort des Nationalrats nicht zu Protokoll geben.
    Der Oberst war bestürzt. »Ihr seid von der Polizei«, sagte er, »das ist etwas anderes.«
    Man solle ihn entschuldigen, fuhr er fort, heute Mittag habe er in der türkischen Botschaft gespeist, am Nachmittag sei er zum Vorsitzenden der Oberst-Vereinigung ›Heißt ein Haus zum Schweizerdegen‹ gewählt worden, anschließend habe er einen ›Ehren-Abendschoppen‹ am Stammtisch der Helveter zu sich nehmen müssen, zudem sei vormittags eine Sondersitzung der Partei-Fraktion gewesen, der er angehöre, und jetzt dieses Fest bei Gastmann mit einem immerhin weltbekannten Pianisten. Er sei todmüde.
    Ob es nicht möglich sei, Herrn Gastmann zu sprechen, fragte Bärlach noch einmal.
    »Was wollt Ihr eigentlich von Gastmann?« antwortete von Schwendi. »Was hat der mit dem ermordeten Polizeileutnant zu tun?«
    »Schmied war letzten Mittwoch sein Gast und ist auf der Rückfahrt bei Twann ermordet worden.«
    »Da haben wir den Dreck«, sagte der Nationalrat. »Gastmann ladet eben auch alles ein, und da gibt es solche Unfälle.«
    Dann schwieg er und schien nachzudenken.
    »Ich bin Gastmanns Advokat«, fuhr er endlich fort. »Warum seid Ihr denn eigentlich ausgerechnet diese Nacht gekommen? Ihr hättet doch wenigstens telephonieren können.«
    Bärlach erklärte, daß sie erst jetzt entdeckt hätten, was es mit Gastmann auf sich habe.
    Der Oberst gab sich noch nicht zufrieden.
    »Und was ist das mit dem Hund?«
    »Er hat mich überfallen, und Tschanz mußte schießen.«
    »Dann ist es in Ordnung«, sagte von Schwendi nicht ohne Freundlichkeit. »Gastmann ist jetzt wirklich nicht zu sprechen; auch die Polizei muß eben manchmal Rücksicht auf gesellschaftliche Gepflogenheiten nehmen. Ich werde morgen auf Ihr Bureau kommen und noch heute schnell mit Gastmann reden. Habt Ihr vielleicht ein Bild von Schmied?«
    Bärlach entnahm seiner Brieftasche eine Photographie und gab sie ihm.
    »Danke«, sagte der Nationalrat.
    Dann nickte er und ging ins Haus.
    Nun standen Bärlach und Tschanz wieder allein vor den rostigen Stangen der Gartentüre; das Haus war wie zuvor.
    »Gegen einen Nationalrat kann man nichts machen«, sagte Bärlach, »und wenn er noch Oberst und Advokat dazu ist, hat er drei Teufel auf einmal im Leib. Da stehen wir mit unserem schönen Mord und können nichts damit anfangen.«
    Tschanz schwieg und schien nachzudenken. Endlich sagte er: »Es ist neun Uhr, Kommissär. Ich halte es nun für das beste, zum Polizisten von Lamboing zu fahren und sich mit ihm über diesen Gastmann zu unterhalten.«
    »Es ist recht«, antwortete Bärlach. »Das können Sie tun. Versuchen Sie abzuklären, warum man in Lamboing nichts vom Besuch Schmieds bei Gastmann weiß. Ich selber gehe in das kleine Restaurant am Anfang der Schlucht. Ich muß etwas für meinen Magen tun. Ich erwarte Sie dort.«
    Sie schritten den Feldweg zurück und gelangten zum Wagen. Tschanz fuhr davon und erreichte nach wenigen Minuten Lamboing.
    Er fand den Polizisten im Wirtshaus, wo er mit Clenin, der von Twann gekommen war, an einem Tische saß, abseits von den Bauern, denn offenbar hatten sie eine Besprechung. Der Polizist von Lamboing war klein, dick und rothaarig. Er hieß Jean Pierre Charnel.
    Tschanz setzte sich zu ihnen, und das Mißtrauen, das die beiden dem Kollegen aus Bern entgegenbrachten, schwand bald. Nur sah Charnel nicht gern, daß er nun anstatt französisch deutsch sprechen mußte, eine Sprache, in der es ihm nicht ganz geheuer war. Sie tranken Weißen, und Tschanz aß Brot und Käse dazu, doch verschwieg er, daß er eben von Gastmanns Haus komme, vielmehr fragte er, ob sie noch immer keine Spur hätten.
    »Non«, sagte Charnel, »keine Spur von assassin. On a rien trouvé, gar nichts gefunden.«
    Er fuhr fort, daß nur einer in dieser Gegend in Betracht falle, ein Herr Gastmann in Rolliers Haus, das er gekauft
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