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Der Regenmacher

Der Regenmacher

Titel: Der Regenmacher
Autoren: John Grisham
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abgestiegen?« fragt Booker vergnügt.
    Ich bringe ein Lachen zustande. Wenn der wüßte.
    Marvin Shankle ist nicht in der Stadt, aber Booker verspricht, sich ans Telefon zu hängen. Um halb neun verlasse ich mein Büro und fahre in die Innenstadt. Die ganze Nacht hindurch habe ich mich bemüht, den Gedanken an Kelly in einer Gefängniszelle zu verdrängen.
    Ich betrete das Shelby County Justice Center und gehe direkt zum Büro von Lonnie Shankle. Dort erfahre ich, daß Richter Shankle, wie sein Bruder, nicht in der Stadt ist und erst am späten Nachmittag zurückkehren wird. Ich tätige ein paar Anrufe und versuche herauszufinden, wo Kellys Unterlagen zur Zeit sind. Sie war nur eine von einem Dutzend Personen, die gestern abend verhaftet wurden, und ich bin sicher, daß ihre Akte sich noch auf dem Polizeirevier befindet.
    Um halb zehn treffe ich mich mit Deck in der Halle. Er hat die Verhaftungsunterlagen. Ich schicke ihn ins Polizeirevier, damit er ihre Akte dort auftreibt.
    Das Büro der Staatsanwaltschaft von Shelby County ist im dritten Stock. Dort arbeiten mehr als siebzig Ankläger in fünf Abteilungen. In der Abteilung für Mißhandlungen im häuslichen Bereich sind es nur zwei, Morgan Wilson und noch eine Frau. Zum Glück ist Morgan Wilson in ihrem Büro. Das einzig Schwierige ist, an sie heranzukommen. Ich flirte eine halbe Stunde mit der Dame am Empfang, und zu meiner Überraschung funktioniert es.
    Morgan Wilson ist eine beeindruckende Frau um die Vierzig. Sie hat einen kräftigen Händedruck, und ihr Lächeln besagt: »Ich habe alle Hände voll zu tun. Also kommen Sie zur Sache.« In ihrem Büro türmen sich die Akten zu Bergen, aber sie sind sauber gestapelt und gut sortiert. Ich werde schon vom bloßen Betrachten all dieser noch anstehenden Arbeit müde. Wir setzen uns, dann fällt bei ihr der Groschen.
    »Der Fünfzig-Millionen-Dollar-Mann?« fragt sie, jetzt mit einem Lächeln ganz anderer Art.
    »Der bin ich.« Ich zucke die Achseln. Nicht der Rede wert.
    »Herzlichen Glückwunsch.« Sie ist sichtlich beeindruckt. Ah, der Preis des Ruhms. Ich vermute, sie tut das, was auch jeder andere Anwalt tut – errechnet ein Drittel von fünfzig Millionen.
    Sie verdient maximal vierzigtausend im Jahr, also möchte sie über mein Glück reden. Ich liefere ihr einen knappen Bericht über den Prozeß und meine Gefühle, als ich das Urteil hörte. Ich fasse mich kurz, dann sage ich ihr, weshalb ich hier bin.
    Sie hört aufmerksam zu und macht sich eine Menge Notizen. Ich gebe ihr Kopien der früheren und der laufenden Scheidungsklage und der Protokolle über Cliffs drei Festnahmen wegen Mißhandlung seiner Frau. Ich verspreche ihr, daß sie noch heute Kellys medizinische Unterlagen bekommt. Ich beschreibe die Verletzungen von einigen der schlimmsten Vorfälle.
    Praktisch all diese Akten um mich herum betreffen Männer, die ihre Frauen, Kinder oder Freundinnen mißhandelt haben, also läßt sich leicht vorhersagen, auf wessen Seite Morgan steht. »Das arme Kind«, sagt sie, und damit meint sie nicht Cliff.
    »Wie groß ist sie?« fragt sie.
    »Ungefähr einsfünfundsechzig. An die fünfundfünfzig Kilo unter der Dusche.«
    »Wie hat sie ihn erschlagen?« Ihr Ton ist fast ehrfürchtig und nicht im mindesten vorwurfsvoll.
    »Sie war verängstigt. Er war betrunken. Irgendwie hat sie den Schläger in die Hand bekommen.«
    »Gut für sie«, sagt sie, und auf meinen Schenkeln bildet sich eine Gänsehaut. Morgan Wilson ist die Anklägerin!
    »Ich möchte sie gern aus dem Gefängnis herausholen«, sage ich.
    »Ich muß mir die Akte kommen lassen und sie durchsehen. Ich werde den für die Kautionen zuständigen Mann anrufen und ihm sagen, daß wir keine Einwände gegen eine niedrige Kaution haben. Wo wohnt sie zur Zeit?«
    »In einem Frauenhaus, einem dieser namenlosen Häuser im Untergrund.«
    »Die kenne ich gut. Sie sind wirklich sehr sinnvoll.«
    »Dort ist sie sicher, aber im Augenblick sitzt das arme Kind im Gefängnis, immer noch grün und blau von der letzten Attacke.«
    Morgan deutet auf die sie umgebenden Akten. »Das ist mein Leben.«
    Wir vereinbaren, uns morgen früh um neun zu treffen.
    Deck, Butch und ich kommen im Büro zusammen, um ein Sandwich zu essen und unsere nächsten Schritte festzulegen. Butch hat an die Tür jeder Wohnung in der Umgebung der Rikers geklopft und nur eine Frau gefunden, die glaubt, etwas krachen gehört zu haben. Sie wohnt direkt über dem Apartment der Rikers, und ich bezweifle,
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