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Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None

Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None

Titel: Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
Autoren: Deborah Crombie
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und blickte zu dem Haus auf. Er trug ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte, und seine Haut hatte den tiefen Farbton der Zartbitterschokolade, die ihre Mutter zum Backen benutzte.
    Eine Frau schlüpfte auf der Beifahrerseite heraus. Die Absätze ihrer Pumps klapperten beim Aussteigen auf dem Asphalt. Wie ihr Mann war sie schick und elegant gekleidet; ihr Hemdblusenkleid war frisch gebügelt und gestärkt. Sie gesellte sich zu ihm und betrachtete das Haus mit enttäuschter Miene. Er lächelte und fasste sie am Arm, dann wandte er sich zur Ladefläche des Lkws um und rief irgendetwas.
    Zwischen den Kartons und Bündeln kam ein Mädchen hervorgekrochen. Sie war etwa in ihrem Alter; ihre nackten Beine waren dünn und braun, und sie trug ein pinkfarbenes Rüschenkleid. Als nächstes kam ein Junge; er war ein oder zwei Jahre älter, hoch aufgeschossen und schlaksig. Es kam ihr vor, als habe der heiße Wind diese Familie hergeweht, von irgendeinem fernen, exotischen Ort, der ganz anders war als dieses schäbige Londoner Vorortviertel und seine Reihenhäuser mit bröckelndem Putz. Von einem Ort voller Düfte und Farben, die sie nur in ihrer Phantasie gekannt hatte. Die vier gingen im Gänsemarsch die Stufen hoch und verschwanden im Haus, und ohne sie wirkte die Straße mit einem Mal ganz leblos.
    Als ihr klar wurde, dass sie nicht gleich wieder herauskommen würden, verschränkte sie frustriert die Arme vor der Brust. Dann würde sie eben irgendjemandem davon erzählen, aber wem? Ihre Mutter würde erst in ein, zwei Stunden zurück sein, aber ihren Vater würde sie im Café antreffen, wo er gewöhnlich hinging, wenn das Vormittagsgeschäft an seinem Schmuckstand gut gelaufen war.

    Sie sprang die Stufen hinunter und lief los. Die Westbourne Park Road entlang bis zur Portobello, wo sie geschickt die Obst- und Gemüsestände umrundete, dann um die Ecke in den Elgin Crescent. Vor dem Café blieb sie stehen und schnappte nach Luft, während sie sich die Nase an der Scheibe plattdrückte. Ja, da war er – dort hinten an seinem Lieblingstisch konnte sie ihn gerade eben ausmachen. Sie strich ihr Kleid glatt und schlüpfte durch die offene Tür in das dunkle Café hinein. Die Gäste saßen in Hemdsärmeln an den Tischen, Männer, die in polnischen Zeitungen lasen und die heiße, stickige Luft mit den dicken Rauchwolken aus ihren Pfeifen und Zigaretten erfüllten.
    Sie hustete unwillkürlich, worauf ihr Vater den Kopf hob und sie stirnrunzelnd ansah. »Was machst du denn hier, meine Kleine? Ist irgendwas nicht in Ordnung?«
    Er glaubte immer, dass irgendetwas nicht in Ordnung sei. Sie vermutete, dass seine Erlebnisse im Krieg der Grund waren, weshalb er sich immerzu Sorgen machte, doch er redete nie darüber. Ihr Vater war 1946 mit seiner Mutter nach England gekommen, gleich nachdem er aus der Armee entlassen worden war, fest entschlossen, den Krieg hinter sich zu lassen und sich eine neue Existenz als Juwelier und Silberschmied aufzubauen.
    Neun Monate später war sie dann auf der Bildfläche erschienen, aber er hatte es dennoch weit gebracht – weiter als manch anderer Mann hier im Café, wie sie wohl wusste. Trotzdem hing er immer noch an den Dingen, die ihn an die alte Heimat erinnerten: dem Duft von Borschtsch und Piroggen, den mit polnischem Kunsthandwerk dekorierten dunklen Holzpaneelen – und der Gesellschaft der drallen Kellnerinnen mit ihren gefärbten Haaren.
    »Nein, alles in Ordnung«, antwortete sie und setzte sich neben ihm auf die gepolsterte Sitzbank. »Und ich bin auch nicht klein. Ich wünschte, du würdest mich nicht so nennen, Papa.«
    »Und warum kommt meine sehr erwachsene Tochter dann hier hereingeplatzt, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her?«
    »Bei uns nebenan sind neue Leute eingezogen.«

    »Und was ist daran so außergewöhnlich?«, fragte er, immer noch in diesem neckenden Ton.
    »Sie sind aus Westindien«, flüsterte sie und merkte, wie sich die Köpfe zu ihnen drehten. »Vater, Mutter und zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, ungefähr in meinem Alter.«
    Ihr Vater ließ die Neuigkeit in seiner bedächtigen Art auf sich einwirken, bevor er schließlich den Kopf schüttelte. »Ärger. Das wird Ärger geben.«
    »Aber sie sehen sehr nett aus -«
    »Das spielt keine Rolle. Jetzt geh brav nach Hause und warte auf deine Mutter, und halte dich von diesen Leuten fern. Ich will nicht, dass dir irgendwas zustößt. Versprich mir das.«
    Mit hängendem Kopf antwortete sie: »Ja, Papa«, doch sie
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