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Der Puppenfänger (German Edition)

Der Puppenfänger (German Edition)

Titel: Der Puppenfänger (German Edition)
Autoren: Joana Brouwer
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geträumt. Es war wohl sein Schicksal, dass gerade dieser Herzenswunsch sich niemals erfüllen würde. Die Diagnose der Ärzte, an die er sich gewandt hatte, war immer dieselbe gewesen. Zeugungsunfähig! Höchstwahrscheinlich hervorgerufen durch eine Mumpserkrankung, die er sich im Grundschulalter zugezogen hatte.
    Heide hatte keinen Gedanken daran verschwendet, dass das Wissen um seine Zeugungsunfähigkeit das Ende ihrer Beziehung einläuten könnte. Schließlich war sie mit der Vorstellung zurechtgekommen, ein Leben mit ihm, aber ohne Kinder zu führen. Seine Bemerkung Ein Mann, der keine Kinder zeugen kann, ist kein Mann hatte sie abgetan und sich bemüht, ihn im Bett das Gegenteil beweisen zu lassen. Doch je mehr Mühe sie sich gegeben hatte, desto häufiger hatte er sich in seine Arbeit verkrochen.
    ›Wir könnten wählen, Heide. Man kann den Spender nach drei Konstanten bestimmen, der Körpergröße, der Augenfarbe und der Haarfarbe‹, hatte er eines Tages gesagt. Sie hatte sofort gewusst, dass eine Insemination mit gekauftem Fremdsperma sein Selbstwertgefühl nicht stärken konnte und auch, dass diese Möglichkeit für sie nicht in Betracht kam. Allein der Gedanke, das Kind eines Mannes auf die Welt zu bringen, der sein Sperma verkaufte wie ein Zuchthengst, hatte sie angewidert. › Falls du das als Liebesdienst von mir forderst‹, hatte sie erwidert, ›dann will ich dich nicht länger lieben.‹
    Von Patricias Schwangerschaft hatte er ihr an dem Tag erzählt, an dem er seine persönlichen Dinge aus der Wohnung geholt hatte. Um ihn nicht zu kränken, hatte sie nicht gefragt, ob er und seine neue Frau nach seinem Plan vorgegangen waren und das passende Sperma in Kopenhagen ausgesucht hatten. Sie hatte sich nicht danach erkundigt, ob sie einen Spender gefunden hatten, der Alex ähnlich sah, oder ob sie einen Studenten ausgewählt hatten, wie es so häufig empfohlen wurde. Auch Augenfarbe und Körpergröße des Samenspenders oder die Frage, ob man mehrere Portionen des gleichen Spermas auf Vorrat deponiert hatte, falls Geschwisterkinder gewünscht wurden, hatte sie nicht interessiert.
    Heide hatte geahnt, dass Patricia mit der Entscheidung für dieses Kind den Preis für das gemeinsame Leben mit Alexander bezahlte. Er hatte ihr entsetzlich leidgetan. Deswegen war sie ruhig geblieben und hatte gemeinsam mit ihm seine Bücher und andere Erinnerungsstücke in Umzugskartons gepackt. Irgendwann später hatte Alexander sie angerufen. Er hatte geweint und ihr erzählt, dass das Kind bei der Geburt gestorben war.
    Heide schob die schwermütigen Gedanken beiseite und überflog unwillig die wenigen Notizen, die sie sich während des Telefongesprächs gemacht hatte. Wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass sie Beate nie besonders gerne gehabt hatte. Auch Gerald Schöllen interessierte sie im Grunde genommen nicht. Eigentlich war sie sich sogar ziemlich sicher, dass die Vermisstensache Schöllen sich in Wohlgefallen auflösen würde.
    *
    Gerald Schöllen kauerte auf dem Dielenboden der Hütte. Seine Handgelenke waren mit Handschellen aneinandergekettet, die Fußgelenke mit einem Strick zusammengebunden. Zusätzlich hatte man ein Seil mehrmals um seinen Oberkörper gewickelt, an einem hölzernen Pfosten gesichert, mit den Fußfesseln verbunden und alle Enden hinter seinem Rücken verknotet.
    Er wusste nicht, was an dem verhängnisvollen Tag, an dem man ihn entführt hatte, im Einzelnen geschehen war. Als er – mit weit offenem Mund und entsetzlichen Kopfschmerzen – in der Hütte aufgewacht war, hatte sich in seinem Hirn lediglich eine tiefe, schwarze Leere befunden. Seine Entführer mussten ihn auf die brutalste Art und Weise zusammengeschlagen haben, denn nur die Folgen harter Schläge oder gar Tritte konnten die stechenden Schmerzen oberhalb seines Magens und das brennende Pochen in der Lendengegend erklären.
    Das letzte Mal, als seine Peiniger ihm, wie an jedem Tag seiner Gefangenschaft, eine Augenbinde umgelegt, die Fußfesseln gelöst und ihn ins Freie geführt hatten, war er wagemutig gewesen. Er hatte auf seinen durchtrainierten Körper und ein wenig Glück vertraut. Statt sich, wie abgesprochen, hinter einem Gebüsch zu erleichtern, hatte er versucht, ihnen zu entkommen. Seit diesem missglückten Fluchtversuch wusste er zwar, dass seine Unterkunft aus einem heruntergekommenen kleinen Wochenendhäuschen bestand, weitab von jeder Zivilisation. Doch dieses Wissen hatte ihm – außer einer
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