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Der Puppendoktor

Der Puppendoktor

Titel: Der Puppendoktor
Autoren: Brigitte Aubert
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Papa hat >zum Kotzen< gesagt!«
    »Halt die Klappe, Rotznase! Mein Gott, hoffentlich ist das alles bald vorbei!«, rief Marcel und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte.
    »Alles - was?«, fragte Madeleine, die Hände in die Hüften gestemmt, die Augen Funken sprühend.
    »Dieser ganze Zirkus, verdammt noch mal!«
    Marcel stieß seinen Teller weg und verließ türknallend die Küche.
    Madeleine nahm den vollen Teller und schleuderte ihn an die Wand, während die Kinder sich unter den Tisch verkrochen.
    Auch der kleine Mann saß bei Tisch. Er aß lustvoll von dem, was vor ihm stand, und hielt von Zeit zu Zeit inne, um einen kräftigen Schluck kühles Bier zu trinken. Er warf seinem Gast einen lächelnden Blick zu.
    Juliette lag auf dem Sofa ausgestreckt. Unter dem hochgerutschten Rock schauten ihre mageren Beinchen hervor, ihr Kopf war zum Fernseher gedreht. Wenn man sie so sah, konnte man meinen, sie schliefe. Erst beim Nähertreten erkannte man, dass sie nicht intakt . war.
    Der kleine Mann nahm einen großen Bissen, unterdrückte einen Rülpser, räkelte sich lustvoll. Er hatte schon Hunde-, Katzen-, Rattenfleisch gegessen - von weißen und grauen, die Weißen schmeckten fader -, ja, sogar Vogelspinnen, aber Menschenfleisch, das war was anderes, ein einzigartiger Geschmack, der damit zusammenhing, dass man etwas verschlang, das einem ähnlich war.
    Jedes Mal, wenn sich seine Gedanken auf dieses Terrain vorwagten, verbarg er sie, ohne es zu merken. Es gab in den Winkeln seines Gehirns eine Vielzahl kleiner eiserner Vorhänge, die sich ganz plötzlich zuziehen ließen, wo die roten und glänzenden, die nagenden Dinge lagerten, bespritzt mit glühend heißer, unerträglicher Säure.
    Stolz auf seine Kraft, packte er Juliettes leblosen Körper mit einer Hand, hob ihn hoch, ließ seinen Bizeps spielen, warf die Kleine auf den Tisch, griff nach der großen Säge und machte sich auf dem Wachstuch an die Arbeit.
    Die Säge kreischte.
    Jean-Jean war müde. Müde vom Denken, müde vom Arbeiten, mit einem Wort: müde vom Leben. Keine Lust, ein halbes Jahr lang zu suchen, von wem die Leichenteile stammten, und noch weniger, wer der Irre war, der sie zersägt und wieder zusammengesetzt hatte.
    Die Männer vom Labor schufteten Tag und Nacht, ohne brauchbare Ergebnisse.
    Die Presse machte gute Geschäfte mit den »makabren Puzzleteilen«, und sein Chef setzte ihn täglich mehr unter Druck. Die Touristen, von denen die Stadt lebte, waren in ihrem Urlaubsprogramm nicht erpicht auf eine »Begegnung mit einem verrückten Mörder«.
    Der alte Clochard hieß Hans Meyer. Ein Elsässer. Man hatte ihn anhand seiner Deportiertennummer identifizieren können. Ein Fixer, der stadtbekannt war, harmlos und ziemlich verkalkt. Der Schönling war ein italienischer Maurer, verheiratet, vier Kinder, unbescholten. Der Fall der Kassiererin war noch schlimmer! Eine Heilige, die zwölf Stunden am Tag schuftete, um ihre drei Gören, die inkontinente Mutter und ihren Säufer von Mann durchzufüttern … Äußerst unwahrscheinlich, den Schuldigen in ihrem Umfeld zu finden.
    Im Leichenschauhaus hatte man die Toten zur Identifizierung durch ihre Verwandten »wieder hergerichtet«. Im angezogenen Zustand waren die Nähte nicht zu sehen. Aber das war alles andere als angenehm gewesen. Jean-Jean hatte das Geheule und Gejammer, die Ohnmachtsanfälle, die Weinkrämpfe über sich ergehen lassen müssen, all das, wovor ihm graute.
    Und jetzt dieses Mädchen, das verschwunden war.
    Rein zufällig gleich bei der Grünanlage. Seit drei Tagen schon. Der kleine Mechaniker von der Autowerkstatt hatte Jean-Jean angebrüllt, dass es in der Grünanlage von Spinnern wimmele und die Polizei natürlich nichts unternehme, sondern lieber Strafzettel an falsch geparkte Autos klebe!
    Jean-Jean hätte ihm am liebsten eine reingehauen, konnte sich aber gerade noch beherrschen. Verkorkste Ermittlungen. Verkorkste Stadt. Verkorkster Sommer. Wenn man an höherer Stelle glaubte, dass er seinen Urlaub absagen würde! Am besten ging er jetzt erst mal einen trinken, er hatte eine ganz trockene Kehle. Einen eisgekühlten Pastis, genau das brauchte er jetzt. Er hätte sich gern einen Bourbon gegönnt, wie in »Hollywood Nights«, aber der war nicht wirklich durststillend.
    Er warf einen prüfenden Blick in den kleinen Spiegel hinter seiner Bürotür, riss sich ein vorwitziges Härchen aus dem linken Nasenloch und machte sich übelst gelaunt auf den Weg.
    »Mal sehen … was würde
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