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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe
Autoren: dtv
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gemacht, wenn Frederico nicht
     gekommen wäre. Silvério de Lima, der Mann, den du als Dr. Veloso kennst, war dabei.«
    »Das habe ich mir gedacht«, murmelte Nicolas. »Irgendwo musste es eine Verbindung geben.«
    »Veloso und seine Freunde haben uns aus den Augen verloren, als wir ins Alentejo sind. Ich kannte dort Leute, und der Geheimdienst
     wurde angeblich aufgelöst. Veloso fürchtete, dass ihn irgendwer wiedererkennen, sich rächen oder ein Verfahren einleiten würde.
     Also ging er in die USA. Die hatten gerade den Vietnamkrieg verloren. Ob er vorher bereits Kontakte dorthin hatte – ich nehme
     es an. Er kam nach Fort Benning, dort wurden die Folterspezialisten befreundeter Länder ausgebildet, heute die eigenen Verhörspezialisten.
     Was du erlebt hast, ist nur ein Vorgeschmack gewesen: Furcht verbreiten, dauernde Unsicherheit, Hoffnungslosigkeit, Angst.
     Und keine Spuren hinterlassen, die Amnesty International zu einer Kampagne bewegen könnten. Das ist Terror. Ich sehe es dir
     an, wie du dich seitdem umschaust, dein unsteter Blick, du bist unkonzentriert. Das ist dir kaum bewusst, doch die Angst wird
     stärker als der Wunsch, dein Ziel zu erreichen. Du meinst, dass jemand hinter dir her ist, dass sie alles sehen, alles wissen,
     dich abhören, deine Bewegungen beobachten, neuerdings deine Briefe im Computer lesen, sogar bevor du sie abschickst, also
     in deinen Gedanken herumschnüffeln. Der Staat wird mit jedem Umsturz immer stärker, immer totalitärer. Er verbreitet Angst,
     aber er macht keinen Mut, sagt nicht, dass wir dieser Bedrohung Herr werden, weil wir frei sind, demokratisch sind, er reagiert
     genauso mit Terror. Aber du hast einen starken Willen, Nicolas, dich brechen sie nicht so schnell. Wie sie dich behandelt
     haben, lässt für mich nur den Schluss zu, dass Veloso über beste Verbindungen verfügt |352| und Zugang zu geheimen Informationen hat. Wie sonst hätte er von der Nachricht ans Reisebüro wissen können?«
    Otelo drehte sich um und blickte in Richtung von Friedrichs Grab. »Auch wir haben Informationen. Heute dienen die Söhne unserer
     Freunde von damals bei den Streitkräften; das portugiesische Militär ist, soweit ich weiß, das einzige auf der Welt, das der
     Demokratie den Weg geebnet hat. Nicht die Generäle, vergiss sie, die niemals, es waren die jungen, unzufriedenen Otiziere,
     das MFA, die Bewegung der Streitkräfte, mittlere Dienstgrade, aus der Mitte heraus. Und vor drei Jahren fing es an. Veloso
     kam nach Peso da Régua. Den wahren Grund werde ich auch noch herausfinden. Ich glaube nicht, dass es wegen Frederico geschah.
     Es muss einen anderen Grund geben.«
    Nicolas war von der Tragweite des Gehörten entsetzt. Er erinnerte sich, wie er von Veloso verarztet worden war, mit welchem
     Vertrauen, ja welcher Arglosigkeit er dem Arzt begegnet war. Dass Ärzte sich für solche Schweinereien hergaben – unglaublich.
     In der Nazizeit hatte es derartige Exzesse gegeben, sie waren in einem kranken Regime an der Tagesordnung, es hatte schließlich
     alle verdorben. Er dachte daran, dass in der Sowjetunion Regimekritiker in Irrenanstalten eingewiesen worden waren. Er erinnerte
     sich an Berichte über geheime CIA-Lager in Europa und Gefangenentransporte.
    »Politik ist ein schmutziges Geschäft«, sagte Nicolas, den das Schweigen bedrückte. »Das waren die Worte meines Vaters. Bei
     seinen Kungeleien mit Politikern ist ihm jeglicher Respekt vor ihnen abhanden gekommen.« Teufel, was für eine beschissene
     Vergangenheit, dachte er, sie wurde konkret, sie wurde zur Gegenwart, die Erinnerung an diese grauenvolle Nacht kam in ihm
     hoch – sein Herz klopfte wie wild, er atmete heftig und blickte sich um.
    »Das wird dir noch eine Weile so gehen«, sagte Otelo |353| ruhig und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Aber es geht vorbei.«
    Nicolas atmete durch, ließ den Kopf und die Schultern sinken. Otelos Berührung tat ihm gut. »Wenn Veloso dahintersteckt, wie
     du sagst, in welcher Beziehung steht er dann zu Gonçalves?«
    Otelo lachte. »Gonçalves ist ein kleiner Betrüger. Er ist Kaufmann, hatte mal eine Firma und ist pleitegegangen. Dann war
     er Geschäftsführer bei einem Weinexporteur in Lissabon, da hat er gelernt. Und Dona Madalena hat ihn letztes Jahr angeschleppt:
     Er sei ein guter Bekannter, man müsse ihm eine Chance geben, zumindest für ein Jahr, er sei Familienvater, sie verbürge sich
     für ihn. Sag mal was gegen die Frau deines Freundes. Wir
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