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Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.

Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.

Titel: Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.
Autoren: Dr. med. Hans Bankl
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selbst von ihrer großen Schönheit, die man ihm gerühmt hatte, überzeugen. Er deckte ihr Gesicht auf in der Erwartung, das durch Todesangst entstellte Gesicht einer Leiche zu sehen. Er fand aber so reizende Züge, daß er seine Gelübde vergaß und „sich bei dieser Person eben die Freiheiten herausnahm, welche bei Lebzeiten die Ehe hätte erlaubt machen können“. Nachdem er seine Begier gestillt hatte, erwog er die Häßlichkeit seiner Tat, und aus Scham über sein Verbrechen reiste er frühzeitig ab. Als man das Mädchen im verschlossenen Sarg zu Grabe trug, würde eine Bewegung darin bemerkt. Man öffnete den Sarg, fand das Mädchen lebendig, brachte es zu Bett, und in kurzer Zeit war es wieder gesund. Bald darauf aber mußte man erkennen, daß die Wirtstochter schwanger war. Sie konnte aber auf alle Fragen keine Antwort geben, da sie sich an nichts erinnerte. Sie brachte unter Tränen und Vorwürfen ihr Kind zur Welt und flüchtete in ein Kloster.
Inzwischen war der junge Mann, der keine weiteren Folgen seines Verbrechens ahnte, genötigt, wieder durch jene Stadt zu reisen. Er stieg im gleichen Gasthof ab wie damals, brauchte aber nicht zu befürchten, wiedererkannt zu werden, denn als einziger Sohn hatte er nach dem Tode seines Vaters ein ansehnliches Vermögen geerbt, sich seiner Gelübde entbinden lassen und war nun, wie zuvor, ein junger und reicher adeliger Herr. Er traf Wirt und Wirtin wieder in größter Betrübnis. Teilnehmend erkundigte er sich nach ihrem Kummer und erfuhr die ganze Geschichte. Sofort machte er sich nach jenem Kloster auf und fand das Mädchen noch schöner wieder. Er begehrte es zur Ehe, der Antrag wurde angenommen und das Kind als ehelich von ihm anerkannt.
    Im Gothaer „Noth- und Hülfsbüchlein für Bauersleute“ aus 1788 liest man im Kapitel über Ratschläge zur Verhütung des Lebendigbegrabenwerdens:
„Es gibt aber kein ganz gewisses Zeichen des wirklichen Todes, als den faulen Geruch. Dieses muß man bei jedem Verstorbenen abwarten, ehe man ihn begräbt. Aber länger braucht man nicht zu warten.
Damit nun kein Mensch begraben werde, ehe diese Zeichen wirklich da sind:
• Muß jeder Hausvater, der kein Mörder an den Seinigen
    werden will, selbst darauf sehen, daß aus seinem Hause keine Leiche eher hinausgetragen werde, bis sie anfängt, nach der Verwesung und Fäulnis zu riechen.
    • Müssen die Tischler oder Schreiner, welche die Särge machen, wenn sie Meister werden wollen, sich von einem von der Obrigkeit dazu bestellten Arzt unterrichten lassen, daß sie die rechten Kennzeichen des Todes unterscheiden lernen. Auch dürfen sie den Deckel zum Sarg nicht eher abliefern, bis die Leiche anfangt zu riechen.“
    Dem „Bayrischen Landboten“ 1791 entstammt folgender Fall: Ein Student der Arzneiwissenschaft in Ingolstadt wurde plötzlich krank, verfiel in starre Besinnungslosigkeit und wurde für tot gehalten. Man entkleidete ihn, wusch ihn und legte ihn wie üblich auf ein Brett. Der Kranke aber sah alles selbst mit an. Er hörte und fühlte, nur war es ihm unmöglich, die geringste Bewegung hervorzubringen. In der Nacht vor dem Begräbnis, als er einsam, starr und kalt auf seinem Brette lag, erlangte er unter Anspannung aller seiner Willenskraft die Bewegungsfähigkeit wieder. Aber seine Hände waren ihm mit Wachs und seinem Rosenkranz so fest verknäult, daß er sie nicht gebrauchen konnte. Er sträubte und bäumte sich, bewegte das auf ihm liegende Tuch und warf damit die neben ihm stehende Lampe um. Das machte die im daruntergelegenen Raum wachenden Leute aufmerksam. Sie kamen, sahen den „Toten“ sich bewegen, flohen, kamen zögernd wieder und nahmen ihn endlich auf sein wehmütiges und wiederholtes Beteuern wieder unter den Lebenden auf.
Drei Dinge waren ihm während seines Scheintodes peinlich gewesen. Erstens der Zuspruch des Geistlichen, der so eifrig redete, daß ihm jede Silbe wie ein Dolchstoß in die Ohren drang. Zweitens bereitete ihm das gewaltsame Zudrücken des in totenähnlicher Erstarrung befindlichen Mundes physische Schmerzen. Der Scheintote glaubte, man würde ihm die Kinnbacken zersprengen. Drittens das Besprengen mit dem eiskalten Weihwasser, wovon ihn jeder Tropfen, der ihm ins Gesicht kam, bis ins Innere erschauern ließ. Dennoch schrieb er seine Rettung dem Weihwasser zu: Da man ihn aus frommer Freigebigkeit oft bespritzte, kam auch eine gute Portion davon in seinen Schlund, und dies verursachte den Reiz, durch den er seine
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