Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pakt der Wächter: Roman

Der Pakt der Wächter: Roman

Titel: Der Pakt der Wächter: Roman
Autoren: Tom Egeland
Vom Netzwerk:
ausgeschaltet werden kann.
    Beatriz beginnt einen Countdown.
    »Jetzt!«

Der Schuss
     

1
     
    Das Schrillen der Alarmsirene lässt einem den Atem stocken.
    »Schnell!«, ruft Beatriz. Sie öffnet die Tür und jagt den Konservator und mich vor sich her ins Mausoleum.
    Das Heulen hallt zwischen Wänden, Boden und Deckenwölbung wider und wirft ein disharmonisches, arhythmisches Echo.
    Die Kerzen beginnen zu flackern und werfen diffuses Licht und hektische Schatten auf die weißen Marmorsäulen.
    »Go! Go! Go!«
    Wir rennen – und hinken – über die glänzenden Fliesen des Mausoleums und steigen die fünf Stufen zum Podium hoch.
    Als dächten wir alle das Gleiche, verharren wir einen Augenblick voller Ehrfurcht vor der Mumie.
    Moses … Kronprinz Thutmosis … der ungehorsame Prinz …
    Der in Leintücher gehüllte Körper wirkt so zerbrechlich. Die über Kreuz liegenden Arme ruhen auf der eingesunkenen Brust. Ihn zu bewegen kommt mir wie eine Schändung vor, wir stören seinen tiefen, tausendjährigen Schlaf …
    Beatriz schließt den Deckel des Sargs. Gemeinsam mit dem Konservator arretiert sie die Schlösser.
    »Beeilt euch!«, ruft sie durch das Heulen der Sirenen.
    Wir packen die goldenen Handgriffe – Beatriz und der Konservator vorn und ich hinten – und heben den Sarg aus dem Sarkophag.
    Ich hatte gefürchtet, er wäre schwer, doch der Sarg wiegt fast nichts.

2
     
    Den Sarg möglichst waagerecht haltend, steigen wir die fünf Stufen vom Podium herab. Der Hall unserer Schritte ertrinkt im Heulen der Sirene. Der Konservator hält mir die Tür des Hinterzimmers auf. Dann fällt sie hinter uns ins Schloss.
    Es pfeift in den Ohren. Die Frequenz des Alarms ist so eingestellt, dass sie Gehör und Verstand beeinflusst.
    Vorsichtig tragen wir den Sarg über die steile Treppe nach unten. Der Konservator und Beatriz heben die Vorderseite über ihre Köpfe, während ich mich nach unten beuge, so dass der Sargboden nur knapp über den Treppenstufen liegt. Die Krücke ziehe ich hinter mir her. Sie schlägt auf jeder Stufe auf.
    Die ganze Zeit über rechne ich damit, auf eine Wache zu stoßen. Oder noch schlimmer: auf Esteban und Hassan.
    In der Sicherheitsschleuse ist die Sirene nur noch eine entfernte Belastung für das Ohr. Beatriz scannt ihr Auge und wartet auf die grüne Lampe.
    Nichts.
    »Können die uns hier in der Schleuse einsperren?«, frage ich.
    »Natürlich«, sagt Beatriz. »Die ganze Anlage wird aus der Wachzentrale ferngesteuert.«
    »Es dauert immer eine Weile«, sagt der Konservator.
    Eine Weile …
    Dann leuchtet endlich die grüne Lampe auf. Beatriz tippt den Code ein. Wir hören das Summen der Elektromotoren, die die Verriegelung öffnen, und sind im Keller.
    Den Sarg zwischen uns, hasten wir über den Flur. Eine der Neonröhren unter der Decke beginnt zu flackern. Unsere Schuhsohlen hämmern über den Boden. Der Puls pocht im Ohr.
    Als der Konservator die Hand auf die Klinke legt und die Tür zur Tiefgarage öffnet, erwarte ich eine schussbereite Schwadron. Aber die Garage ist leer und riecht leicht nach Diesel und Motoröl. Unter der Decke klingelt eine altmodische Alarmglocke, sie erinnert mich an die Glocke, die in der Schule immer die Pause eingeläutet hat.
    Wir tragen den Sarg zu dem Coca-Cola-Lieferwagen. Beatriz öffnet die Heckklappe.

3
     
    Hassan wartet auf einem der Klappsitze hinten im Wagen.
    Sein Gesicht ist ausdruckslos.
    Sogar im Dunkeln glänzt sein kahler Schädel. Der Bart ist gekämmt und frisch rasiert. Er trägt ein weißes Hemd, einen blauen Schlips und einen frisch gebügelten, graublauen Anzug.
    Der Konservator, Beatriz und ich stehen reglos da. Keiner von uns sagt etwas. Wir starren Hassan an und warten auf das Unausweichliche. Meine Finger klammern sich um den goldenen Handgriff des Sargs.
    Er ist nicht bewaffnet. Er ist so groß, dass er an Bagatellen wie Schusswaffen gar nicht erst zu denken braucht. Er bekommt auch so, was er will. Seine Größe lässt ihn vollkommen unüberwindlich und unverletzbar wirken.
     
    Das ist er nicht.

4
     
    Zuerst verstehe ich nicht, woher der Schuss kommt. Der Knall ist laut und scharf und wird von den Betonwänden der Tiefgarage zurückgeworfen. Beatriz und ich zucken zusammen.
    Hassans Gesicht bekommt einen ungläubigen, verzerrten Ausdruck. Auf dem weißen Hemd und der graublauen Anzugjacke wächst eine rote Rose, die immer größer wird.
    Er beginnt zu röcheln. Rosa Schaum kommt in seinem Mundwinkel zum Vorschein.
    Dann kippt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher