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Der Pakt der Wächter: Roman

Der Pakt der Wächter: Roman

Titel: Der Pakt der Wächter: Roman
Autoren: Tom Egeland
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farblos. Er sprach Dänisch mit isländischem Akzent und hörte sich an wie ein Norweger mit einem kleinen Sprachfehler. Jetzt sitzt er hinter seinem aufgeräumten Schreibtisch, vor sich ein gerahmtes Foto von Frau Polizeichef samt Junior und einem Königspudel, der eigentlich nur Bonzo heißen kann. Ungeduldig klopft er mit der Spitze seines Kugelschreibers auf das Formular, das vor ihm auf der Schreibtischunterlage liegt.
    »Ja«, antworte ich.
    »Ihr voller Name?«
    »Bjørn Beltø.«
    »Norweger?«
    »Ja.«
    »Geburtsjahr?«
    »1968.«
    »Beruf?«
    »Archäologe. Oberassistent an der Universität Oslo.«
    »Was machen Sie in der Snorrastofa?«
    »Sira Magnus und ich haben an einem gemeinsamen Forschungsprojekt gearbeitet.«
    »Warum sind Sie sich so sicher, dass es sich um einen Mordfall handelt?«
    »Weil er tot im Badebecken lag …«
    »Vielleicht ist ihm schlecht geworden.«
    Der Polizeichef will noch nicht glauben, dass der Diener des Herrn auf Reykholt umgebracht worden ist. Reykholt ist nicht sehr groß, und die wenigen Menschen, die dort wohnen, sind friedliebend und gottesfürchtig. Nur Touristen und Wissenschaftler finden zu diesem entlegenen Plätzchen mit seiner hübschen Kirche und den Überresten des Hofes von Snorri.
    »Es ist etwas gestohlen worden«, sage ich.
    Er mustert mich. Ich bin weiß wie Kreide, und meine Augen schimmern rötlich hinter den Brillengläsern. Ich bin kurzsichtig und habe schwache Nerven. Für den Polizeichef bin ich eine Plage. Ich sehe ihm an, dass er nicht will , dass Sira Magnus ermordet wurde. Ein Mord brächte viel zu viel Aufsehen und Unruhe mit sich.
    »Was ist gestohlen worden?«, fragt er.
    »Ein uraltes Manuskript.«
    »Sie wollen sagen, dass Sira Magnus wegen eines Manuskripts umgebracht wurde?«
    »Es handelt sich nicht um irgendein Manuskript. Codex Snorri. Der Snorri-Codex.«
    »Was ist das?«
    »Eine Pergamentsammlung mit Texten aus dem Zeitraum von etwa 1050 bis ins 13. Jahrhundert.«
    Stille.
    »Von Snorri geschrieben?« Ein Muskel in der Augenbraue des Polizeichefs beginnt zu zucken.
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    Draußen vor dem Fenster segelt eine Möwe vorbei, ehe sie eine Bauchlandung macht und sich nach etwas Essbarem umsieht.
    »Die Snorri-Manuskripte befinden sich in der isländischen Handschriftensammlung im Árni-Magnússon-Institut in Reykjavik«, sagt der Polizeichef.
    »Nicht alle. Es gibt auch Texte in Kopenhagen, Uppsala und Utrecht.«
    »Und eines bei Sira Magnus in Reykholt?«
    »Er hat es erst vor einer guten Woche entdeckt.«
    »Wurde der Fund gemeldet?«
    »Heute. Deshalb war ich in Reykjavik. Bevor ich ihn gefunden habe.«
    »Und wer hat das Dokument Ihrer Meinung nach gestohlen?«
    »Die Gleichen, die ihn getötet haben.«
    »Warum haben sie es gestohlen?«
    »Vermutlich, um es zu verkaufen. Bei Sammlern hätte so ein Snorri-Manuskript einen großen Wert.«
    »Ach ja?«
    Irgendwie beruhigt mich der Gedanke, dass die Staatspolizei aus Reykjavik auf dem Weg nach Reykholt ist. Ein Mord und ein verschwundener Kulturschatz sind einfach zu viel für den Polizeichef von Borgarnes.
    »Dieses Forschungsprojekt, das Sie gemeinsam mit Sira Magnus bearbeiten …«, tastet er sich langsam vor.
    »Das Thema ist ziemlich kompliziert.«
    »Versuchen Sie es trotzdem.«
    »Wir gehen davon aus, dass Snorri in seinen Texten etwas versteckt hat. Spuren, Hinweise.«
    »Versteckte Spuren?«
    »Codes, Karten, Heilige Geometrie.«
    »Aha.«
    Er hat keine Ahnung, wovon ich rede.
    »Wir glauben«, erkläre ich, »dass Snorri wusste, wie unsere nordischen Vorväter wichtige Landmarken – Kirchen, Klöster, zentrale Bauernhöfe und Festungen – einer Heiligen Geometrie folgend platziert haben, die auf der pythagoreischen und neoplatonischen Philosophie und Mathematik basiert.« Es hört sich an, als wäre der Filter der Vernunft zwischen Hirn und Zunge entfernt worden. »Unsere Vorväter haben bei allem, was sie taten, ihr Wissen aus dem Altertum genutzt, ob es sich um den Bau von Wikingerschiffen und Stabkirchen handelte oder das Zeichnen von Landkarten.«
    Der Polizeichef sieht mich skeptisch an. Er legt den Stift beiseite. Was vielleicht ganz gut ist. Es gibt vieles, das ich gar nicht erst erwähne. Vieles, das ich nicht preisgeben kann. Weil ich es nicht weiß. Weil ich es nicht begreife. Deswegen sage ich auch nichts über den Code, den Sira Magnus und ich gestern am späten Abend noch gelöst hatten. Es gibt Dinge, um die man sich selbst kümmern
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