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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt
Autoren: Vampira VA
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einem Halt. Sie berührten die Wand des Stollens, und an ihren steinernen Vorsprüngen rappelte sich der Tiefe vollends in die Höhe.
    So blieb er stehen und lauschte atemlos in die Finsternis. Sein rasender Herzschlag steigerte das Rauschen des Blutes in seinen Ohren zu dem eines Wasserfalls. Konzentriert filterte Tikal dieses Ge-räusch aus seiner Wahrnehmung, horchte einzig nach dem, was zuvor und während des Sturzes zu ihm gedrungen war.
    Dieses dumpfe Grollen, das aus Boden und Wänden gekommen zu sein schien, dazu ein fernes Krachen wie von berstendem Stein . Zusammen hatte es geklungen, als - Tikal fiel kein Vergleich ein, der ihm passend erschienen wäre; es sei denn -
    - als würden die Gänge und Höhlen des tiefen Reichs einstürzen!
    »Unmöglich!« stieß Tikal hervor, halblaut zwar nur, aber der Schrecken in diesem einen Wort war so eisig, daß er ihm wie Frost in die Lippen biß.
    Und dabei hatte der junge Maya geglaubt, daß ihn nichts mehr schrecken könnte nach all dem, was er in den vergangenen Tagen durchgemacht hatte.
    Begonnen hatte es mit seinem Fluchtversuch, der an der magischen Barriere, die Mayab seit Generationen von der Außenwelt abschottete, gescheitert war. Die Macht, die jener Grenze innewohnte, hatte Tikal hinab in das Labyrinth geschleudert, wo die Tiefen, wie sie sich nannten, ein eigenes geheimes Reich gegründet hatten. 1
    Sie alle waren einst auf die gleiche Weise hierher verschlagen worden, und droben in der Hermetischen Stadt wußte nur eine Handvoll Menschen von ihrer Existenz.
    Nicht einmal die Vampire, die Mayab seit Anbeginn tyrannisierten, hatten Kenntnis von diesem tiefen Reich. Dafür hatten jene, die dort eine neue Heimat gefunden hatten, gesorgt - indem sie ihr Augenlicht opferten!
    Damit entzogen sie sich auf drastische Weise der fremden Sicht, die es den vampirischen Herrschern Mayabs ermöglichte, durch die Augen eines jeden Menschen zu sehen, der ihren Keim im Blut trug. Und es gab niemanden in der verborgenen Stadt, der vor ihrem Biß verschont geblieben wäre .
    Jeden Neuankömmling in ihrem Reich schlugen die Tiefen mit Blindheit, zu seinem und ihrem eigenen Schutz. Und aus dem glei -chen Grund verätzten sie ihm die Haut. Damit tilgten sie das Stigma, das der Kontakt mit der Barriere unweigerlich darauf hinterließ, und so konnten die Jagdtiere der Vampire den Verschwundenen nicht länger wittern.
    Durch diese Maßnahmen waren die Tiefen lange Zeit unentdeckt geblieben. Bis sie selbst, ermutigt durch den Tod eines der Tyrannen, aus dem Dunkel ihrer unterirdischen Zuflucht hervorgekommen waren - vor wenigen Stunden erst! Gemeinsam mit ihren sehenden Helfern hatten sie sich gegen die vampirischen Könige aufgelehnt und waren ohne jede Warnung zum Angriff auf den Palast übergegangen. 2
    Der Kampf dort oben mochte inzwischen vielleicht schon vorüber sein. Tikal wußte es nicht.
    Er hatte sich nicht daran beteiligt. Zum einen, weil er - wohl seiner Unerfahrenheit wegen - nicht dazu aufgerufen worden war, und zum anderen, weil er sich selbst nicht zu einem solchen Unterfangen bereit gefühlt hatte. Ihn beschäftigte und plagte anderes.
    Das Schicksal, fortan ein Tiefer zu sein, blind und entstellt.
    Dieses Leben schien ihm schlimmer noch als sein vorheriges, in dem er der grausamen Willkür der Tyrannen ausgesetzt gewesen war und ihr Joch tragen mußte.
    Um darüber nachzusinnen, hatte Tikal sich von den anderen abgesetzt und zurückgezogen in Bereiche des Labyrinths, wo er allein sein konnte. Und wenn seine noch schwach ausgeprägten Übersinne, die den Tiefen das Augenlicht im Laufe der Zeit halbwegs zu ersetzen vermochten, nicht trogen, befand er sich in der Randzone des tiefen Reichs; dort, wo am Ende gesicherter Stollen sich die Barriere auch unterirdisch fortsetzte, als sei sie in ihrer Gesamtheit eine riesenhafte Blase, die Mayab ganz umschloß.
    In dieser selbstgewählten Einsamkeit hatte Tikal seinen trüben Gedanken freien Lauf gelassen, in der Hoffnung, sie mögen sich verirren in dieser Weite und nicht mehr zu ihm zurückkehren. Statt dessen jedoch hatte ihm das Alleinsein - im übertragenen Sinne freilich nur - die Augen geöffnet und ließ ihn eine Wahrheit schauen, für die er nur zu gern blind geblieben wäre bis ans Ende seiner Zeit:
    Wenn er seinen ohnehin fast aussichtslosen Fluchtversuch nur um ein paar Tage aufgeschoben hätte, und wenn die Menschen dort oben tatsächlich den Sieg über die Vampire errangen - dann wäre ihm, Tikal, das Los
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