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Der neunte Ton: Gedanken eines Getriebenen (German Edition)

Der neunte Ton: Gedanken eines Getriebenen (German Edition)

Titel: Der neunte Ton: Gedanken eines Getriebenen (German Edition)
Autoren: Peter Maffay
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Entsprechend entsetzt waren sie, als sie plötzlich am Checkpoint in Ramallah standen. Die gigantischen Mauern, die Wachtürme, die schwer bewachten Soldaten … Meine Generation kennt diese Bilder natürlich noch von den Grenzübergängen in die damalige DDR oder in andere Staaten des Ostblocks. Für 15- oder 16-Jährige, die das Privileg haben, frei von Grenzen durch Europa zu reisen, ist dies eine andere Welt. Oder der Übergang zwischen Jerusalem und Bethlehem: Man kommt sich vor wie in einer gigantischen Legebatterie, geht durch schmale Gänge, die komplett vergittert sind. Auf palästinensischer Seite sind mir sofort die Graffitis aufgefallen. Hier wird Kunst als Sprachrohr benutzt. Erstaunlicherweise habe ich kein israelfeindliches Graffito gesehen, sondern vielmehr gesprühte Bilder, die die Sehnsucht nach Frieden und Freiheit ausdrücken. Spätestens hier war mir einmal mehr klar, dass Freiheit mehr ist als nur ein Wort. Freiheit ist die Chance, aufzubrechen und zu reisen, sich seiner politischen Orientierung bewusst zu werden und auch einmal »Nein« sagen zu können. Dies alles ist allerdings in vielen Teilen unserer Welt immer noch nicht möglich. Vor allem aber sind es immer Kinder und Jugendliche, die unter der Ignoranz und der Machtgier mancher Politiker leiden.
    Maximilian Montpellier war 16 Jahre alt, als er zum ersten Mal mit unserem Austauschprogramm nach Israel reiste. Der Schüler der Pestalozzi Realschule in Bochum wollte damals mitfahren, einfach weil auch andere Freunde sich zum Programm angemeldet hatten. Eine Reise, die ihn – wie er selbst sagt – verändert hat. Sie hat ihn kritischer gemacht, politisch interessierter. Und sie hat ihn für die Region sensibilisiert. Maximilian fährt seitdem jedes Jahr immer wieder privat nach Israel. Land und Leute haben es ihm angetan. Vor allem aber will er den Kontakt mit den Jugendlichen, die er damals kennengelernt hat, aufrechterhalten.
    Ein anderes Beispiel ist Markus Lamb, heute 19 Jahre alt. Er war ebenfalls 16, als er erstmals ins Heilige Land reiste, und engagiert sich heute im Vorstand des Vereins »Begegnungen – Schutzräume für Kinder e.V.«. Diesen Verein haben wir gegründet, um effektiv die Austauschprogramme mit dem Land Nordrhein-Westfalen koordinieren zu können … Markus hilft, andere Jugendliche auf die Austauschmaßnahmen vorzubereiten, hält Kontakt zu den israelischen und palästinensischen Partnern und nutzt die sozialen Netzwerke, um alle drei Gruppen untereinander zu vernetzen.
    Wer mir heute noch sagt, dass unsere Jugend eine »Null-Bock-Gesellschaft« ist, den kann ich mit vielen solchen und ähnlichen Beispielen eines Besseren belehren. Mehrere Hundert deutsche Teenager sind in den letzten Jahren in die Region gereist, eine entsprechende Anzahl israelischer und palästinensischer Jugendlicher hat Deutschland besucht. Siebzehnjährige israelische Mädchen lernen durch diese Maßnahme erstmals Palästinenserinnen kennen, tauschen sich mit ihnen eine Woche aus und stellen fest, dass sie identische Interessen haben. Ein Jahr später werden die Israelis für zwei Jahre zum Militärdienst eingezogen, Jungs müssen drei Jahre der Armee dienen. Was ist die Folge? Die Siebzehnjährige, die noch vor wenigen Monaten gemeinsam mit neu gewonnenen palästinensischen Freundinnen in Berlin zusammensaß, sich über Klamotten austauschte und Musik hörte, sitzt nun hinter Panzerglas in einem Checkpoint und kann darüber entscheiden, wie lange Palästinenser warten müssen, bis sie passieren dürfen. Sicher wird sie nicht vergessen, was sie erlebt hat. Sie ist sensibler geworden und hat zumindest die Anonymität dieses Konflikts überwunden. Plötzlich hat »der andere« einen Namen, ein Gesicht, eine Geschichte.

Die Natur als Therapeut

    Mein ökologisches Denken
    Vielleicht bin ich naiv, aber ich glaube fest daran, dass Mensch und Natur eine Einheit bilden. Als wir damals begannen, die Ausrichtung unserer Stiftung festzulegen, war es daher für mich selbstverständlich, dass wir der Natur einen großen Stellenwert einräumen müssen. Die Natur hat therapeutische Fähigkeiten, und wir sehen immer wieder, mit welcher Kraft sie auf Kinder einwirken kann. Es ist ein großes Privileg, dass unsere Finca im Norden Mallorcas zwischen Meer und Bergen eingebettet liegt. Hinter uns liegt das Tramuntana-Gebirge, wenige Kilometer von der Einrichtung entfernt das Mittelmeer. Beides kann gigantisch wirken, beides kann gleichzeitig aber auch
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