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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes
Autoren: Patrick Rothfuss
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rumgekrabbelt und hat sie mit seinen Füßen geschnitten. Das ging blitzschnell. Ich habe gar nicht begriffen, was da vor sich ging.« Endlich sank Carter auf Grahams Drängen hin auf einen Stuhl. »Sie hat sich in ihrem Geschirr verheddert und ist auf das Ding draufgestürzt und hat ihm dabei ein paar Beine gebrochen. Dann hat es sich auf mich gestürzt und ist auf mir rumgekrabbelt.« Er verschränkte die Arme vor seiner blutigen Brust und schauderte. »Ich konnte es abschütteln und habe es mit aller Kraft getreten. Aber dann hat es sich wieder auf mich gestürzt …« Er verstummte, das Gesicht aschfahl.
    Der Wirt nickte und betastete das Ding weiter. »Kein Blut. Keine Organe. Es ist innerlich nur grau.« Er drückte es mit einem Finger. »Wie ein Pilz.«
    »Großer Tehlu, fass es nicht an«, flehte der Schmiedelehrling. »Manchmal zucken Spinnen noch, auch wenn sie schon tot sind.«
    »Ihr müsstet euch mal hören«, höhnte Cob. »Spinnen werden nicht so groß wie Schweine. Ihr wisst doch ganz genau, was das ist.« Er sah sich um und blickte nacheinander allen in die Augen. »Das ist ein Dämon.«
    Sie sahen wieder zu dem zerbrochenen Ding hinüber.
    »Also bitte«, widersprach Jake, mehr aus Gewohnheit. »Das ist doch kein …« Er machte eine hilflose Geste. »Das kann doch kein …«
    Alle wussten, was er dachte. Es gab ganz gewiss Dämonen auf dieser Welt. Aber sie waren wie Tehlus Engel. Sie waren wie Helden und Könige. Sie gehörten in Geschichten. Sie gehörten nicht hierher . Taborlin der Große beschwor Feuer und Blitz herbei, um Dämonen zu vernichten. Tehlu zerschmetterte sie mit bloßen Händen und schleuderte sie dann hinab in das namenlose Nichts. Aber ein Freund aus Kindertagen trampelte so einen Dämon doch nicht auf der Straße nach Baedn-Bryt zu Tode. Das war einfach nur lachhaft.
    Kote fuhr sich mit der Hand durch den roten Schopf und brach dann das Schweigen. »Es gibt zwei Methoden, das festzustellen«, sagte er und griff in seine Tasche. »Eisen und Feuer.« Er zog einen prall gefüllten ledernen Geldbeutel hervor.
    »Und der Name Gottes«, bemerkte Graham. »Dämonen fürchten dreierlei: kaltes Eisen, reines Feuer und den heiligen Namen Gottes.«
    Der Wirt verzog leicht missbilligend den Mund. »Natürlich«, sagte er, leerte den Beutel auf den Tisch und tastete in dem Münzhaufen umher – schwere Silbertalente und kleinere Silbermünzen, Kupfer-Jots, zerbrochene Halbpennystücke und Eisendeute. »Hat jemand ein Scherflein?«
    »Nimm doch einen Deut«, sagte Jake. »Das ist gutes Eisen.«
    »Ich will kein gutes Eisen«, sagte der Wirt. »Ein Deut enthält zuviel Kohlenstoff. Das ist fast schon Stahl.«
    »Da hat er recht«, sagte der Schmiedelehrling. »Aber es ist kein Kohlenstoff. Für Stahl nimmt man Kohle. Kohle und Kalk.«
    Der Wirt nickte dem Jungen anerkennend zu. »Du musst es wissen, junger Meister. Es ist ja schließlich dein Metier.« Mit seinen langen Fingern fand er endlich ein Scherflein in seinem Münzhaufen und hielt es empor. »Da hätten wir eins.«
    »Und was erreichst du damit?«, fragte Jake.
    »Mit Eisen tötet man Dämonen«, sagte Cob mit unsicherer Stimme, »aber der hier ist schon tot. Vielleicht hat es gar keine Wirkung mehr.«
    »Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.« Der Wirt suchte kurz den Blickkontakt mit jedem von ihnen. Dann wandte er sich entschlossen zum Tisch um. Die anderen wichen noch etwas weiter zurück.
    Kote drückte dem schwarzen Wesen die Eisenmünze in die Seite. Ein lautes Knacken ertönte, wie von einem Kiefernscheit im Feuer. Alle erschraken, beruhigten sich aber gleich wieder, als sich das schwarze Ding nicht regte. Cob und die anderen fingen an, einander zaghaft anzugrinsen, wie kleine Jungen, denen eine Gruselgeschichte einen Schrecken eingejagt hat. Dieses Lächeln wich einem säuerlichen Blick, als sich im Schankraum ein Gestank wie von modernden Blumen und angesengtem Haar breitmachte.
    Der Wirt drückte die Münze mit lautem Klacken auf die Tischplatte. »Tja«, sagte er und wischte sich die Hände an der Schürze ab. »Damit wäre das dann ja wohl geklärt. Und was machen wir jetzt?«

    Stunden später stand der Wirt am Eingang des Gasthauses und schaute hinaus in die Dunkelheit. Der Lampenschein aus den Wirtshausfenstern fiel über die unbefestigte Straße bis auf die Tore der Schmiede gegenüber. Diese Straße war weder breit noch viel befahren. Und sie schien nirgends hinzuführen, wie das bei manchen
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