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Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
Autoren: Franz Binder
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Ethik-Hüter, die für die Sicherheit des Lirep verantwortlich waren, traten nach ihm aus der Kulisse. Mit
    gesenkten Häuptern, als versuchten sie sich unsichtbar zu machen, schlichen sie zu ihren Stühlen am Bühnenrand. Einen Augenblick kostete der Lirep die
    Stille aus, ließ seinen Blick über die Zuschauerränge wandern, dann begann er den Gesang des Hju, des höchsten Mantra, das die uralten Adepten offenbart
    hatten und das seit dem legendären ersten Liga-Seminar jede Zusammenkunft von Atmas eröffnete. Das Publikum fiel ein. Die Halle füllte sich mit einem
    tiefen summenden Ton, der sich aus Hunderten von Einzelstimmen zu einem wie Dünung rollenden Klang formte, der, so sagte das
Buch der Erleuchtung
,
    jeden einzelnen Atma augenblicklich mit dem Bewusstsein des Mahaguru und den Uralten verschmolz und zugleich eine Verbindung zwischen allen Atmas der Erde
    schuf, ein Netz der Liebe, geknüpft, um die Welt zu heilen. Aron spürte, wie diese Kraft ihn durchdrang, wie seine Stimme sich einschwang in den mächtigen
    Klang, sich darin auflöste. Es war das Hju gewesen, das Aron zur Liga gebracht hatte. Ben hatte ihm beiläufig von der Liga erzählt, von dem Ideal eines
    spirituellen Weges, der über die Dogmen aller Religionen hinausging, um in einem Klima absoluter Toleranz und Freiheit jedem Individuum seinen persönlichen
    Weg zum höchsten Bewusstsein zu weisen. Aron hatte erst gezweifelt, hatte entgegengehalten, dass viele Sekten existierten, die ähnliches behaupteten. Ben
    aber hatte überlegen gelächelt und geantwortet, über das Eigentliche könne man nicht sprechen, man müsse es erfahren. Ben hatte Aron mitgenommen in das
    Liga-Zentrum und dort hatte er zum ersten Mal den Gesang des Hju gehört, nur den Gesang einer kleinen Gruppe, die sich zu einem Diskussionskreis für
    Jugendliche zusammengefunden hatte, und doch hatte er sich augenblicklich davon angezogen gefühlt, als sei durch dieses Mantra eine Saite tief in seinem
    Innersten angerührt und zum Klingen gebracht worden. Die Macht des Hju hatte Aron erhoben über Ablehnung und Spott vonseiten der Schulfreunde, über die
    besorgten Vorwürfe der Eltern, die Aron in politischem, gesellschaftskritischen Bewusstsein erzogen hatten, wie sie stolz betonten, und nun mit geballter
    Rhetorik versuchten, ihn von dieser ,obskuren Rotte esoterischer Faschisten’ abzubringen. Im Gegensatz zu Ben hatte Aron seinen Zutritt zur Liga erkämpfen
    müssen. Die Kraft des Hju hatte ihm die Stärke verliehen, alle Widerstände zu überwinden, die Aufnahmeprüfung für die Liga-Akademie zu schaffen, sogar ein
    Stipendium zu erlangen, das ihn unabhängig machte vom Elternhaus. Er konnte ins Wohnheim der Akademie ziehen, um sich vier Trimester lang ausschließlich
    dem Studium und der spirituellen Praxis zu widmen, konnte am Vormittag die Schulungen besuchen und den Rest des Tages beim intensiven Studium der Bücher
    und Tonbandkassetten der Mahagurus oder in Sonderkursen und Spezialtrainings zubringen. Aron dachte kaum jemals an die Zeit nach seinem Abgang von der
    Akademie, der bald bevorstand. Er wusste, dass sein Leben der Liga gehörte, dass das Hju ihn führen und an den richtigen Platz stellen würde.
    Als Peter Crapp ein leises „Danke“ ins Mikrofon hauchte, verebbte der vibrierende Klang des Hju, schien unhörbar nachzuschwingen in der Stille, die wieder
    über den Menschen zusammenschlug. Der Lirep stand Augenblicke mit gesenktem Kopf, als konzentriere er sich und begann schließlich seine Rede mit sonorer
Stimme, von der manche Atmas sagten, sie würde in ähnlicher Weise das Herz berühren wie die Stimme des Mahaguru. Crapp rezitierte Passagen aus dem
Buch der Erleuchtung
, Worte des Trostes, die verkündeten, dass es keinen Tod gab, nur das Ablegen der fleischlichen Hülle auf dem endlosen Rad der
    Wiedergeburten. Glücklich sei dieser Augenblick für die wahrhaften Atmas, denn ihnen sei der Tod Befreiung nicht nur vom vergänglichen Leben auf dieser
Erde, sondern auch Erlösung vom Kreislauf der Geburten und Tode. Sie würden empfangen vom Lichtkörper des Mahaguru und hinaufgeleitet in die
Welten der Wahrheit
, in die Wirklichkeit des Hju, um dort als Mitarbeiter der uralten Adepten dem Wohle des Universums zu dienen. An manchen
    Stellen hob Crapp die Stimme, bis sie leicht tremolierte, gleich aber dämpfte er sie wieder, als beherrsche er mit eisernem Willen die eigene Rührung. Nach
    einer kurzen Flötenmelodie, die Crapp wieder mit gesenktem
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