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Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)

Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Autoren: Martin Hühn
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Schmerzen zwangen sie, sich zusammenzukrümmen. Sie schnappte vergeblich nach Luft und wünschte sich, ohnmächtig zu werden. Die schwüle Hitze und die Schmerzen schienen sich verbündet zu haben, um sie zu zerdrücken. Für wenige Augenblicke hatte sie Todesangst, glaubte tatsächlich, zu ersticken. Dann wurde ihr klar, dass es doch nicht ganz so ernst war. Der Schmerz ließ nach, und vorsichtiges Einatmen schien wieder im Rahmen des Möglichen. Sie versuchte sich an einer aufrechten Position und war erleichtert, dass ihr das nicht besonders schwerfiel. Gerade in diesem Augenblick fiel etwas von oben auf sie herab. Etwas Schlauchförmiges, das sich in der Luft wand, wie eine Schlange. Reflexartig versuchte sie das Tier, denn es handelte sich tatsächlich um eine Schlange, wegzuschlagen. Sie konnte keinen vernünftigen Treffer landen und statt ins Gebüsch geschleudert zu werden, schlang sich das Geschöpf um ihren linken Arm. Die Schlange gab sich nicht lange mit Drohgebärden ab. Ihren Vorderleib richtete sie auf und schlug sofort in Richtung von Verenas Gesicht zu. Verena schrie vor Schreck laut auf. In schierer Panik riss sie ihre Hände vom Körper weg, konnte aber nicht einschätzen, ob die Zähne sie dennoch erwischt hatten. Lange, ausgestellte gifttriefende Zähne. Ein Maul, dessen Kiefer so weit aufgerissen sind, wie es nur möglich ist.
    Mit wilden, unkontrollierten Bewegungen versuchte sie, die Schlange abzuschütteln. Offenbar war das Wesen bestens darauf adaptiert, sich mit dem Schwanz festzuhalten. Sollte das Geschöpf begreifen, dass Verenas Arm kein Ast, sondern ein weiteres Ziel war, wäre sie dem nächsten Angriff wehrlos ausgeliefert gewesen. Da erwachte etwas in ihr, das sich nicht von der Panik beherrschen ließ, weit entfernt von rationalem Denken aber kontrolliert und zielsicher. Später gesellte sich ihr Bewusstsein dazu und konnte befriedigt feststellen, dass es ihr irgendwie gelungen war, die Schlange sicher hinter dem Kopf zu packen. Das Tier war bestimmt zwei Meter lang, grasgrün mit einer scharf abgegrenzten orangenen Rautenzeichnung geschmückt. Seine Unterseite war braun, wie die Bäume hier. Alles Herumwinden half ihr nichts mehr gegen Verenas entschlossenen Griff.
    „Ilfe!“
    Die gibt es ja auch noch! Wie soll ich das Ungeheuer hier loswerden?
    Dieses Problem erwies sich als leicht zu lösen. Rasch spießte sie den Hals der Schlange auf einen abgebrochenen Ast und wickelte den Körper von ihrem Arm. Jetzt konnte sie das Mädchen retten.
    „Ich ziehe dich von hinten auf einen sicheren Ast!“, kündigte Verena an, was sie plante.
    Wie albern von mir, das zu sagen. Bestimmt versteht sie nur französisch richtig.
    Geschwind griff sie die robuste Anzugjacke der schlanken Französin in Hüfthöhe, zählte laut: „Eins! Zwei! Drei!“, und riss sie dann mit gehörigem Schwung nach hinten.
     
    *
    Elina, so hieß die Gerettete, rappelte sich auf und sah sich umsonst nach ihrer mutigen Retterin um. Neben sich sah sie nur ein Häuflein Elend kauern, zitternd, heulend, nicht bei sich. Selbst noch unter Schock stehend zwang sie sich zu einem kurzen Lächeln, nahm die Andere instinktiv in die Arme und versuchte beruhigend zu summen, wie sie es manchmal mit ihrer kleinen Schwester machte. Natürlich war dieses Mädchen älter als sie, aber das änderte im Grunde nichts an der Situation. Die Weinende beruhigte sich langsam. Nach einer Weile konnte Elina sich lösen und begann, ihr Unterhemd zu zerreißen, um damit ihre Hände zu verbinden, die sie sich an dem Ast blutig gerissen hatte.
    Weitere Judokas in ihren vormals weißen und unversehrten Anzügen kamen geräuschvoll zu ihr hinauf und hinabgeklettert. Deren auf Deutsch geführte Gespräche verstand Elina kaum. Den Neuankömmlingen größere Aufmerksamkeit zu schenken, hätte sie ohnehin überfordert. Wie das Summen von Insekten, die Vogelschreie und tausend andere undefinierbare Waldgeräusche, war das für sie im ersten Moment reiner Hintergrund. Sie war darauf fixiert, die zahlreichen Schürfwunden ihres Schützlings an Gesicht und Füßen zu versorgen. Ihres Schützlings oder ihrer Retterin, wie sie jetzt erkannte, denn die junge Frau war es, die auf dem Ast über ihr gestanden hatte, und niemand anderes konnte sie aus ihrer misslichen Lage befreit haben. „Tja, so kann es gehen, wenn das Adrenalin weg ist“, murmelte sie auf Französisch.
     
    *
    „Sehr verehrte Fluggäste, wir befinden uns im Landeanflug auf München. Bitte
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