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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See
Autoren: Danella Utta
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berichten. Meine Mutter, Barbli Gutzwiller, heiratete, was nun wieder mein Großvater sehr mißbilligte, einen jungen deutschen Ingenieur. Die Familie war gegen diese Heirat, aber da ich es sehr eilig gehabt hatte, diese Welt mitzubevölkern – ich kam bereits sieben Monate nach der Eheschließung zur Welt, ohne ein Siebenmonatskind zu sein –, hatten sie schließlich nichts dagegen machen können.
    Mein Vater war Ingenieur gewesen – genau wie ich es geworden bin –, und sie müssen sich sehr geliebt haben. Das sagte Maman immer, sie kam nie über seinen Tod hinweg, an Heiraten dachte sie nicht wieder. 1935 bin ich geboren, 1940 fiel mein Vater in Norwegen. Großvater holte sofort seine Tochter und den kleinen Enkel in die sichere Schweiz. Das war damals noch möglich.
    Und da blieben wir. Maman verließ ihr Vaterhaus nicht wieder. Sie starb, als ich fünfzehn war, an Leukämie. Und sie war schon zuvor viele Jahre krank gewesen. Meine Erziehung hatte hauptsächlich in den Händen des Großvaters und nach seinem Tode in den Händen von Tante Hille gelegen.
    Viel mehr ist eigentlich darüber nicht zu erwähnen. Höchstens über Wilberg, über das Land und den See. Und natürlich über das Gutzwiller-Haus. Aber darauf komme ich noch zu sprechen.
    Nach Hause fuhr ich also, nachdem ich vier Wochen in München mit der silberblonden Erika auf sehr reizvolle Weise verbummelt hatte. Damit war wohl, um es einmal so sachlich auszudrücken, mein erster Urlaubskoller abgeklungen, Europa hatte mich wieder, und ich sah mich gewappnet, Tante Hille und dem Schweizer Landleben für – na, sagen wir mal, für acht bis zehn Tage ins strenge Auge zu blicken.
    Es fing schon mit Hindernissen an, das hätte mich stutzig machen sollen. Statt wie geplant in früher Morgenstunde von München zu starten und in flotter Fahrt so am späten Nachmittag in Wilberg einzutreffen, was ohne weiteres zu machen war, verließ ich die bayerische Hauptstadt erst in den frühen Nachmittagsstunden.
    Nicht die süße Erika war schuld daran, mit ihr hatte ich am Abend zuvor ausgiebig und mit einigen Tränen ihrerseits Abschied gefeiert. Die stärkste Frauenpersönlichkeit – außer Tante Hille, versteht sich –, die mir je im Leben begegnet war, verhinderte meine pünktliche Abreise: Bibiana.
    Just als ich beim Kofferpacken war, rief sie an. Was denn wäre mit dem versprochenen Besuch. Als sie hörte, daß ich am folgenden Tage abreisen wollte, schimpfte sie und beorderte mich energisch für halb elf vormittags zu sich.
    Was blieb mir anderes übrig? Um es kurz zu machen: Bibiana war vollkommen wie immer. Sie hatte wohlhabend geheiratet, sah sehr attraktiv aus, der neugeborene Knabe – elf Monate nach der Eheschließung zur Welt gekommen, wie sie ausdrücklich betonte – war ein ausnehmend wohlgelungenes, wohlgerundetes Kind, ihre Wohnung mit Geschmack und sogar einem gewissen Luxus eingerichtet. Sie war eine überaus tüchtige Sekretärin gewesen, eine wunderbare Geliebte und würde zweifellos eine vollendete Gattin und erstklassige Mutter sein. Der Mann, der sie bekommen hatte, war zu beneiden. Ich sagte ihr das, und sie nickte zustimmend mit dem Kopf.
    »Tut es dir leid?« fragte sie dann.
    Als höflicher Mensch antwortete ich: »Ja. Sehr.«
    Sie lächelte ein wenig spöttisch. »Du schwindelst. Aber es ist nett, daß du es tust. Ja, damals war ich sehr böse auf dich. Das weißt du ja. Ich hatte mir eingebildet, du müßtest es sein. Heute bin ich froh, daß du nicht wolltest und lieber nach Indien ausgerückt bist. Hermann war eine weitaus bessere Partie als du. In jeder Beziehung. Nicht nur finanziell.«
    Ich schluckte. Hart, wenn man so was gesagt bekam von einer Frau, die man immerhin zwei Jahre lang geliebt hatte. Und von der man sich vor allem innigst und lebenslang geliebt glaubte. Aber von Frauen verstand ich wohl noch nicht sehr viel. Sie waren auf jeden Fall immer das stärkere Geschlecht. Allein deswegen, weil sie sachlicher, realistischer denken können als wir.
    »Erzähl mir, wie du ihn kennengelernt hast. War es bald, nachdem ich fort war?«
    Sie lächelte wieder, diesmal ein wenig zärtlich. »Nicht so bald. Ein halbes Jahr später.«
    »Früh genug«, brummte ich ärgerlich.
    »Ein halbes Jahr Liebeskummer ist genug. Ich wette, du hast nicht einmal so viel zusammengebracht.«
    »In meinem Leben hat es seither keine Frau gegeben«, erwiderte ich pathetisch.
    »Oh!« sagte sie. Eine Weile betrachtete sie mich prüfend, nahm
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