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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger
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ein einziges Mal im Beisein von anderen den Respekt, so wird sie es bereuen. Ich bin der Lehnsträger des Herzogs. Ich hab ihrem Ehemann den Hasgelhof überlassen, weil du mich darum gebeten hast. Wenn Mechthild es darauf anlegt, kann ich ihr den Acker auch wieder wegnehmen. Dann soll sie zusehen, wie sie mit ihrer Hochfahrendheit zurechtkommt. Richte ihr das Wort für Wort aus!«
    »Natürlich«, sagte Agnes erschöpft.

Im Jahre des Herrn 1164

1.
    Zwei Jahre des Friedens verstrichen, bis sich die unheilvollen Zeichen wieder verdichteten: Im Westen des Landes steckten Söldner mehrere Rodungshöfe in Brand, überall wurden Truppen zusammengezogen und zahlreiche Herolde galoppierten von Burg zu Burg, um Botschaften zu übermitteln. Alles deutete auf einen Krieg hin - trotzdem ließen sich die Hörigen aus Aue nicht von der jährlichen Erntedankfeier abhalten.
    Dankwart schob sich durch das Festgetümmel. Lieber wäre er auf der Adlerburg geblieben, um mit Leutfried, seinem Knecht, den Pflug zu reparieren, aber er wusste um seine Pflichten. Auf den Festen der Hörigen musste er sich zeigen. Den Bauern durfte nicht der Eindruck entstehen, dass sie hirtenlos waren. Zugleich achtete er darauf, Distanz zu wahren. Er trank nicht mit ihnen, denn das lockerte die Zunge. Auch an ihren Spielen nahm er nicht teil, denn er wollte ihnen keine Gelegenheit geben, ihn zu übertreffen.
    Er stellte sich zu mehreren Bauern und begrüßte einen von ihnen mit einem Nicken. Einem anderen legte er die Hand auf die Schulter und fragte: »Wie geht’s deinem Jungen?«

    »Die Hebamme hat ihm einen Trank bereitet«, erwiderte der Mann. »Erst schwitzte er stark, dann schlief er eine Woche. Jetzt kann er wieder arbeiten.«
    »Gott meint es gut mit dir«, sagte Dankwart und wandte sich dem dritten Bauern zu. »Und du? Wie viel Scheffel hat dir die Ernte eingebracht?«
    »Nicht genug zum Leben und nicht genug zum Sterben, gnadenvoller Herr. Wenn wir Euch den Zehnt zahlen, werden wir verhungern!«
    Auf diese Antwort hatte Dankwart nur gewartet. »Du solltest deinen Helfern das Maul verbieten, wenn du mich das nächste Mal betrügen willst. Bis morgen begleichst du deine Schuld, ansonsten wirst du es bereuen.«
    »Herr, Ihr versteht nicht, was...«
    »Überleg dir gut, was du jetzt sagst«, unterbrach Dankwart ihn. Eine offensichtliche Lüge vor Zeugen würde er nicht ungestraft lassen können, dann würde er mit aller Härte durchgreifen müssen. Als der Mann die Schultern hängen ließ, sagte Dankwart nur »Morgen!« und ging weiter.
    Als er die Kapelle erreichte, war er erleichtert. Hier sah man ihn, zugleich würde er unbehelligt bleiben. Er drückte die Pforte zum Friedhof auf und schloss sie hinter sich. Lautes Gelächter drang vom Portal des Gotteshauses zu ihm her. Das konnte nur der Pfaffe Lampert sein, der sich wahrscheinlich mit einer Gespielin vergnügte.
    Über einen Trampelpfad begab sich Dankwart zur Längsseite der Kapelle und setzte sich auf die Steinbank. Er verschränkte die Arme über der Brust und schaute dem Treiben jenseits des Lattenzaunes zu. Überall standen Tische mit Speisen und Getränken. Von der Linde flatterten
bunte Bänder. Musik erklang und die Hörigen versammelten sich zu einem Reigen. Dabei legten sie die Arme um die Schultern des Nebenstehenden. Der Harfner sang die erste Strophe eines Sommerliedes: »Die Jungfrau flocht sich Blumen ins Haar / und als ich sie beim Tanze sah / da war der Winter längst vergessen...« Der Fiedler fiel in die Melodie ein. Die Menschen drehten sich zunächst gemächlich, dann immer ausgelassener um die Linde, wobei sie die Beine in die Luft warfen und in den Gesang einstimmten: »Die Jungfrau flocht sich Blumen ins Haar...«
     
    Die Holzkreuze auf dem Kapellfriedhof warfen schon lange Schatten, als Dankwart spürte, wie jemand an seiner Schulter rüttelte.
    »Herr«, sagte Leutfried, der Knecht. »Wacht auf! Der Herold des Herzogs ist eingetroffen. Er hat eine Botschaft für Euch.«
    Dankwart erhob sich und streckte die Arme gähnend von sich. Er war etwas überrascht, als ihm auffiel, dass die Hörigen schon völlig betrunken waren. Sie lagen unter den Bänken, lehnten mit dem Rücken an der Linde, planschten johlend im Bach, einer schlief sogar auf einem frischen Grab. Offenbar hatte er den Großteil des Festes verschlafen. »Dann wollen wir ihn nicht warten lassen!«, sagte er.
    Am Fuß des Hangs blickten Halbwüchsige, die nacheinander versuchten, ein Rundeisen um einen
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