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Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman

Titel: Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
Autoren: Elsebeth Egholm
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Wagen des Parteichefs der Rechtsliberalen.«
    Bo hatte keinen besonders großen Respekt vor Politikern. Oder, genauer gesagt, keinen Respekt vor Angestellten des öffentlichen Dienstes und am wenigsten vor Polizisten.
    Plötzlich war ein Piepen zu hören. Alle sahen auf. Ida Marie hatte soeben ihre Rose ins Grab geworfen, Martin stand hochkonzentriert neben ihr und hielt seine Rose umklammert, als könne er sich nicht überwinden, sie loszulassen.
    John Wagner fingerte eilig seinen Pieper aus der Jackentasche und trat einen Schritt zur Seite. Während die Familie Abschied von Dorothea Svensson nahm, beobachtete Dicte, wie Wagner eine Nummer in sein Handy tippte. Bo machte eine Kopfbewegung in seine Richtung.
    »Ich fress ’nen Besen, wenn er nicht gerade zum Stadion gerufen wurde!«
    »Er ist auf der Beerdigung seiner Schwiegermutter!«
    »Egal. Wetten, in wenigen Minuten ist der verschwunden. Vielleicht sollten wir gleich hinterher?«
    »Wir gehen doch noch alle zusammen im Varna Palais essen!«
    »Nur für eine halbe Stunde«, lockte Bo sie. »Das wird niemand merken!«
    |10| Während er auf sie einredete, registrierte Dicte, wie John Wagners Gesichtsausdruck mit dem Handy am Ohr versteinerte. Sie schämte sich dafür, dass die Neugier sie gepackt hatte. Aber Bos Bericht und Wagners Pieper hatten ihren Puls so in die Höhe schnellen lassen, wie es Dorothea Svenssons Beerdigung nicht vermocht hatte.
    Wagner beendete das Telefonat und zog Ida Marie beiseite. Seine ganze Körpersprache drückte große Behutsamkeit aus, während er ihr etwas erzählte. Seine Worte schienen sie zunächst zu irritieren, dann jedoch ließ sie ein kurzes Nicken folgen. Dicte sah ihm in die Augen, ehe er sich umdrehte und zum Parkplatz ging. Aber sein Blick war neutral, signalisierte nicht mehr als freundliche Distanz. Gerade das gab den entscheidenden Ausschlag.
    Die Trauergemeinde löste sich allmählich auf und strömte vom Friedhof. Dicte ging auf Ida Marie zu, um sie zu umarmen, aber Anne und Anders kamen ihr zuvor, und plötzlich hatte sich eine lange Schlange gebildet. Sie sah zu Bo.
    »Okay!«, sagte sie nur und nickte hinüber zum Parkplatz. »Eine halbe Stunde, nicht länger.«
    »Das wird niemand merken«, versprach er ihr erneut, diesmal mit einem breiten Lächeln. »Wir sind im Varna, bevor du bis hundert gezählt hast.«
    »Und ich bin die Königin von China«, gab sie zurück.
    Beim Stadion, das auch NRGI-Park genannt wurde, herrschte Chaos. Massenweise blau und weiß gekleidete Fans strömten aus der Anlage nach einer erneuten, deprimierenden Niederlage der Heimmannschaft. Eigentlich hatten alle den Aufstieg in die Superliga feiern wollen, aber die Spieler waren, so Bo, wohl in Gedanken schon in den Sommerferien gewesen, und es hatte desaströs mit einem 3:1-Sieg für die Gegner vom HIK aus Hellerup geendet. Ironie des Schicksals, betrachtete man den Slogan des derzeit angesagtesten T-Shirts in Århus: »Arschklappe, wir sind zurück!« Die T-Shirt-Verkäufer hatten sich fast ein Jahr lang gedulden müssen, bis sie endlich die Ware auf den |11| Markt bringen konnten, um zu signalisieren, dass die Zeit des Darbens in der zweiten Liga nun endgültig vorbei war. Am heutigen Tag schmeckten diese Worte darum bittersüß.
    Zusätzlich zu den Ordnungskräften der Polizei, die den Strom der Tausenden von Zuschauern zu den Parkplätzen dirigierten, hatten sich noch andere Uniformierte dazugesellt. Die Kriminalpolizei war mit drei Einsatzwagen und Blaulicht angerückt, und der Leichenwagen, ein ausgedienter Notarztkombi, hielt daneben, wie ein Geier, der sich hungrig auf einen Kadaver mitten in der afrikanischen Savanne gestürzt hatte. In unmittelbarer Nähe zu diesem Fuhrpark, links vom Haupteingang des roten Stadiongebäudes, stand auch Wagners schwarzer Passat. Dicte und Bo hatten keine andere Wahl. Die Polizei hatte bereits alles mit dem rotweißen Absperrband, dem sogenannten »Minenstreifen« versehen. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als auf der anderen Seite der Stadion Allee zu parken, die Straße zu überqueren und eifrig mit ihren Presseausweisen zu wedeln. Aber es half nichts. Sie wurden nicht durchgelassen.
    »Seid ihr vom
Stiften
? Wollt ihr wissen, was passiert ist?«
    Eine kleine Gruppe schwankender Fans kam auf sie zu, mit blauen und weißen Schals und T-Shirts, die ihre Zugehörigkeit zu »Den Weißen« signalisierten. Die Enttäuschung über die Niederlage hatte sich mit einer seligen Trunkenheit
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