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Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman.
Autoren: Stanislaw Lem
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der Organismus, d. h. die organische Substanz, die den Mechanismus leitet, durch die ungeeignete Zusammensetzung unserer Atmosphäre vergiftet wurde.«
    »Ist vielleicht der Zustand, in dem sich die Maschine jetzt befindet, der Normalzustand?« fragte ich. »Es ist uns doch nicht bekannt, wie sich ein solches Geschöpf verhalten sollte ... Wir sollten hier, meine ich, keine Vergleiche anstellen ... das heißt, dieses Wesen nicht allzu vermenschlichen.«
    Alle sahen mich forschend an.
    »Pardon, habe ich vielleicht eine Dummheit gesagt? Bitte, verzeihen Sie mir, das waren die Worte eines Laien.«
    »In dieser Sache sind auch wir Laien«, erwiderte der Professor, der schon die zweite Portion Kaffee hinter sich hatte und jetzt mit Brotklümpchen spielte. »Ihre Meinung ist durchaus richtig. Leider war die Reaktion der Maschine nun einmal dieser Art, als das Geschoß geöffnet wurde ...«
    »Darf ich erfahren, was eigentlich passiert ist?« fragte ich. »Ich habe schon so viele Halbinformationen gehört, daß ich vor Neugierde fast platze ...«
    »Sie haben recht«, sagte der graumelierte schmächtige Mann, der Doktor genannt wurde. »In dem Augenblick, als mit Sauerstoffbrennern die Spitze der erhitzten Stahlzigarre, also die Spitze des Geschosses vom Mars, durchschnitten wurde, zeigte sich in der Öffnung nach dem Abtrennen des Mittelteiles eine Metallschlange, die Sie bei genauem Hinsehen erkennen müßten.«
    Ich nickte.
    »Diese Metallschlange berührte vielleicht einen unserer Arbeiter – das ließ sich nicht genau feststellen –, wobei sie überaus heftige, zuckende Bewegungen machte. Dann zeigte sich der Schlangenrumpf, der aus einer Höhe von mehreren Metern zur Erde schnellte und dann erstarrte. Diese Unbeweglichkeit hat er bis zum heutigen Tag bewahrt, das heißt seit mehr als einer Woche.«
    »Was ist daran so sonderbar?« sagte ich.
    »Nun, der Arbeiter, der den Acetylenbrenner bediente, starb noch am selben Tag. Mit allen Anzeichen einer Gehirnerschütterung ... aber die Obduktion ergab keine Veränderung außer einer leichten Gehirnblutung.«
    »Sie vermuten also?«
    »Wir vermuten hier gar nichts. Junger Mann, erinnern Sie sich daran, was Newton sagte? Hypotheses non figo, sagte der alte Newton ... Ja, ja, wir forschen nur, stellen aber keine Hypothesen auf – es ist eine Tatsache, daß die Nähe zur Maschine unangenehme Folgen hervorrufen kann, den Verlust des Lebens inbegriffen. Das sollte man nicht vergessen.«
    Dann wandte er sich in sachlichem Ton an Frazer: »Herr Kollege, haben Sie für heute alles vorbereitet?«
    »Jawohl, Herr Professor. Um neun Uhr wird der Areanthropos mit Hilfe der neu gelieferten Kräne in einen kleinen Montagesaal transportiert, wo wir ihn in einem Behälter mit einem Gasgemisch nach der Rezeptur des Doktors unterbringen werden. Wir werden uns bemühen, durch Druckabsenkung auf das Marsniveau den alten Zustand herbeizuführen. Sofern es in seinem Mechanismus keine Beschädigungen gibt, sollte das gelingen, glaube ich.«
    »Und wie geht es den Meerschweinchen in der Bleihülle, die in der Kammer sitzen?«
    Frazer war verstört.
    »Ich habe noch nicht nachgesehen, ich weiß es nicht ... wir haben sie erst um fünf Uhr morgens hineingelegt.«
    Das rosige Gesicht des Professors wurde rot.
    »Wenn wir alle so arbeiten wie Sie, Mr. Frazer, dann wird uns der Marsmensch durch das Fenster entkommen und wir werden ihm vergebens nachjagen. Gut gesagt! Ich habe nicht nachgesehen ..., ich weiß nicht«, murmelte der alte Choleriker und verstreute die Brotklümpchen über den ganzen Tisch.
    Ich hörte das Telephon klingeln – es war das Haustelephon.
    Nach einem Augenblick kehrte Frazer an seinen Platz zurück. Er setzte sich langsam, und wir schauten dem Professor in die Augen. Dieser setzte sich auf dem Stuhl zurecht, öffnete den Mund und wartete.
    »Nun?!«
    »Alle Meerschweinchen sind verendet«, sagte Frazer mit dumpfer Stimme.
    »Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: entweder die Dosis ist für den Menschen unschädlich, tötet aber die bleigepanzerten Meerschweinchen, oder ...?«
    »Oder bla bla«, unterbrach der Professor unhöflich. »Wir müssen bis zum Abend aushalten, wenn wir uns alle beim Abendessen wiedersehen wollen. Bitte verstärken Sie den Schutzpanzer bis zum Maximum. Wie viele Bleiplatten haben wir?«
    »Es gibt sechsunddreißig Platten von je acht Zentimeter Dicke«, sagte der vierschrötige Ingenieur.
    »Dann geben wir sechsundfünfzig Zentimeter Blei statt
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