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Der Meister des Drakung-Fu

Titel: Der Meister des Drakung-Fu
Autoren: Franziska Gehm
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vermutet.
    »Ich muss nur noch schnell etwas in Bogdans Sarg ritzen«, antwortete Silvania und ihre Finger schwebten über der Tastatur. Silvania hatte Bogdan im Schlammkasten kennengelernt. Vor ungefähr zehn Jahren, im Vampirgarten in ihrer transsilvanischen Heimatstadt Bistrien. Seitdem waren sie gute Freunde. Sie flogen zusammen durch dick und dünn. Bogdan wäre mit Silvania sogar bis ans Ende der Welt geflogen.
    »Das hast du schon drei Mal gesagt. Was habt ihr euch denn so Wichtiges zu erzählen?« Daka dachte einen Moment nach. »Hat Bogdan etwa beim Schrumpfkopfkegeln gewonnen?«
    Silvanias Finger zuckten kurz über der Tastatur. »Nein! Wir führen einen Diskurs.«
    »Disco- was?« Daka sah Karlheinz fragend an. »Verstehst du sie?«, flüsterte sie.
    Silvania sah über ihre Schulter zu ihrer Schwester. »Wir stehen sozusagen im Briefwechsel. Natürlich ist es kein normaler Briefwechsel.«
    »Weil Bogdan nur mit Smiley-Fledermäusen antwortet?«
    »Nein!« Silvania atmete einmal tief durch. »Weil Bogdan nur mit Zitaten aus Büchern antwortet.«
    Daka verzog das Gesicht. Karlheinz rollte sich auf ihrem Arm zusammen.
    »Hier, das hat er eben in unseren Sarg geritzt: Schöne, helle goldne Sterne, grüßt die Liebste in der Ferne, sagt, dass ich noch immer sei, herzekrank und bleich und treu.«
    »Und das steht jetzt in unserem Sarg?« Daka schüttelte den Kopf.
    »Wahnsinn, nicht wahr? Verstehst du jetzt, warum ich unbedingt sofort antworten muss?«
    »Ja, vielleicht kann man Bogdan noch helfen. Gut möglich, dass er nur ein paar Sonnenstrahlen zu viel abbekommen hat.«
    Silvania verdrehte die Augen. »Dir ist auf jeden Fall nicht mehr zu helfen. So etwas nennt man r-o-m-a-n-t-i-s-c-h.«
    Daka zuckte mit den Schultern. Sie fand es romantischer, wenn sie mit ihrem Papa kopfüber an einer Tanne hing und an einem Mitternachtssnack zutschelte. Oder wenn Bato, der Knochpetenspieler ihrer Lieblingsband, lauter Glühwürmchen aus der Knochpete stieß und Murdo dazu ein finsteres Lied röchelte.
    Aber wenn es um solche zuckerwatteweichen Dinge wie R-o-m-a-n-t-i-k oder ganz und gar (und noch viel schlimmer) um L-i-e-b-e ging, verstand Daka ihre Schwester sowieso nicht. Erst war Silvania in ihren Nachhilfelehrer Jacob verliebt gewesen (so hatte Daka das zumindest verstanden) und jetzt bekam sie immer rote Kringel um die Augen, wenn sie Bogdan etwas in seinen Sarg ritzte. Womöglich bekam sie von dem ganzen Discokurs mit ihm auch noch ganz feuchte Hände und würde die Tastatur damit lahmlegen. War Silvania jetzt in Jacob verliebt? Oder in Bogdan? Oder in beide? Oder in gar keinen?
    Daka wollte ihre Schwester gerade danach fragen, als der Laptop dreimal hintereinander ein seltsames Geräusch machte. Es klang, als würde ein erkältetes Raubtier versuchen zu fauchen.
    »Fumpfs!«, rief Daka und flopste sich blitzschnell neben ihre Schwester. »Ludos Portokulator! Du hast ihn zerstört! Mit deinen feuchten Händen!«
    Silvania sah beunruhigt auf den Bildschirm. Dann hellte sich ihr Gesicht auf. »Gumox. Geht doch alles noch.«
    »Da wackelt eine Fledermaus ständig mit den Flügeln.« Daka zeigte auf den Bildschirm.
    »Virtueller Zwilling gefunden. Übereinstimmung: 96 Prozent«, las Silvania vor.
    »Noch eine Schwester?« Daka zog die Augenbrauen zusammen.
    »Vielleicht zur Abwechslung ja auch ein Bruder«, meinte Silvania und klickte auf die aufgescheuchte Fledermaus.
    Auf der Seite erschien ein schwarzes rundes Gebilde mit einer kleinen, abgerundeten Spitze.
    »Ist das ein Zelt?«, fragte Silvania.
    »Sieht aus wie eine Jurte«, fand Daka. »Weißt du, diese zeltähnlichen Wohnungen, in denen manche Leute in Asien wohnen. Ich glaube, es war in der Mongolei. Oma Zezci hat uns mal eine Postkarte davon geschickt.«
    Silvania nickte. Sie erinnerte sich an die Postkarte. Jetzt öffnete sich die Tür der virtuellen Jurte langsam. Auf dem Jurtenboden lag ein dicker dunkelgrauer Teppich. Darauf war eine Art Steckbrief gestickt:
Name:
Kerul Tschagatai Jugur Selenga
Alter:
13
Abhängort:
Ulan-Vampor, Mongolei
Vampirität:
Vampgole
Status:
Drakung-Fu-Schüler
Geschlecht:
männlich
    Daka und Silvania starrten wie gebannt auf den Bildschirm. Mehrmals lasen sie den Steckbrief ihres virtuellen Zwillings durch.
    »Wir haben einen Bruder!«, sagte Daka schließlich.
    »Und er ist ein Vampgole. Wie aufregend, wie exotisch!«
    Daka und Silvania wollten sich am liebsten auf der Stelle in der Jurte umsehen. Doch das ging erst, wenn Kerul
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