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Der Meister des Drakung-Fu

Titel: Der Meister des Drakung-Fu
Autoren: Franziska Gehm
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mancher Vampgole auch. »Heute ist die Nacht der Krieger. Der jungen Krieger. Der Krieger, die in die Reihen der großen Drakung-Fu-Meister aufgenommen werden wollen. Jedes Jahr kann nur einem Krieger der Schritt gelingen. Nur ein Krieger ist dazu bestimmt, ein Drakung-Fu-Meister zu werden. Er muss es durch seinen Mut, seine Schnelligkeit, seine Kraft, seine Weisheit und seine Barmherzigkeit beweisen.«
    Durch die Menge ging jetzt ein zustimmendes Raunen.
    Der Alte hob den langen, dünnen Knochen, den er in der rechten Hand hielt, und die Zuschauer verstummten. »Ich, der Großmeister Dschingbiss Zhan, erinnere mich noch allzu gut an meine eigene Prüfung. Vor nicht weniger als 63 788 Jahren stand ich just in dieser Senke. Ein junger Krieger voller Tatendrang, Wissensdurst, Überheblichkeit und damals noch voller kräftiger schwarzer Haare.« Bei diesen Worten lüftete Dschingbiss Zhan kurz seinen bronzefarbenen Jurtehelm und entblößte eine Glatze, die im Mondlicht glänzte wie das Dotter eines Spiegeleis. »Ich erinnere mich noch genau, wie schwer die Prüfung war, welch übervampirische Anstrengungen sie mich gekostet hatte. Die Schmerzen, die Erschöpfung, der Durst. Doch ich wollte ein Drakung-Fu-Meister werden. Ich war fest entschlossen, die Prüfung zu bestehen. Genau wie heute diese jungen Krieger dazu fest entschlossen sind.« Dschingbiss Zhan zeigte mit dem Knochenstab auf ein Dutzend junger Vampgolen, die sich in der Senke eingefunden hatten.
    Einer der jungen Krieger stieß die Faust in die Luft. Eine junge Kriegerin zeigte ihre spitzen Eckzähne und fauchte. Ein anderer Krieger knurrte wie ein Wolf.
    »Genau wie damals wird auch heute nur einer dieser Krieger die Prüfung bestehen und aus den Kämpfen als Sieger hervorgehen«, fuhr der Großmeister fort. »Gerade in einer Zeit, in der gut durchblutete Beute immer schwerer zu finden ist und unsere Blutquellen zu versiegen drohen, brauchen wir einen starken, weitsichtigen neuen Meister, der uns den Weg in die Zukunft weist.«
    Die Zuschauer klapperten zustimmend mit den Eckzähnen.
    Der Alte gab einer jungen Vampgolin ein Zeichen, woraufhin sie vom Rand der Senke herabflog und sich neben ihn in die Luft stellte. »Nara-Venja, die Siegerin und Jungmeisterin vom letzten Jahr, wird jetzt die alten, traditionellen Regeln erklären.«
    Nara-Venja flog vor die jungen Krieger und breitete die Arme aus. Sie trug einen engen dunkelgrünen Anzug mit einem großen, abstehenden Kragen. Sie hatte die Haare raspelkurz geschnitten und hellblond gefärbt. Ihre mandelförmigen hellroten Augen leuchteten in der Nacht. Sie war nur ein Jahr älter als die Prüflinge, unter denen sich auch ihr Bruder Bajar befand. Er war seit seiner Geburt mit der Kampftechnik des Drakung-Fu vertraut. Genau wie Nara-Venja. Sie selbst hatte mit ihm trainiert und wusste, welch gefährlicher Gegner er war. Er hatte den Willen zum Sieg. Und was Bajar wollte, bekam er. Doch auch die anderen Krieger wollten Meister werden. Auch ihr Wille war stark. Würde es Bajar gelingen, die restlichen Prüflinge zu übertreffen?
    Nara-Venja ließ den Blick über die jungen Krieger schweifen. Die meisten kannte sie von Kindesbeinen an. Tamer, der alle anderen um einen Kopf überragte und Arme und Beine wie Tentakel hatte. Zarina, die schnell und gerissen wie ein Schneeleopard war. Manas, der so schnell fliegen konnte wie ein Steinadler. Nojan, der schon mit sechs Jahren einen ausgewachsenen Yak zur Strecke gebracht hatte. Inara, die nicht nur mit ihren Eckzähnen, sondern auch mit ihren rasierklingenscharfen Finger- und Zehennägeln tiefe Wunden reißen konnte. Und Kerul, der schmächtig und unscheinbar wirkte, den keiner richtig kannte, und der genau deshalb gefährlich war.
    Nara-Venja streckte ihr Kinn vor und sagte laut: »Die Kämpfe dauern fünf Nächte. Gekämpft wird Vampgole gegen Vampgole. Mit bloßen Händen, Füßen und Eckzähnen. Andere Waffen oder fremde Hilfe sind verboten. Der Gegner wird nach den Regeln des Drakung-Fu zur Einsicht und Anerkennung der Macht des anderen und zum Geständnis seiner eigenen Unterlegenheit gebracht. Die Kämpfe finden nach dem K.-o.-System statt. Der jeweils Unterlegene scheidet in Würde aus. In der fünften Nacht treten die beiden Finalisten gegeneinander an. Wenn die Sonne über den östlichen Horizont dringt und den Mond vertreibt, steht der Sieger und neue Drakung-Fu-Meister fest.«
    Nara-Venja sah die jungen Krieger der Reihe nach an. Ihre Augen funkelten.
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