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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa
Autoren: Noah Gordon
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diesem Señor in Kürze fertig.«
    »Nein, Ihr müßt sofort mitkommen«, sagte der größere Mann leise, aber mit mehr Nachdruck.
    Espina wußte, daß Juan Pablo, sein Faktotum, mit dem Sohn des Alten im Schatten des Schuppens neben der Krankenstation plauderte. Er ging zur Tür und rief ihm zu: »Geh ins Haus und sag der Señora, sie möge diesen Besuchern Erfrischungen reichen. Brot mit Öl und Honig, und kühlen Wein.«
    Die Männer des Vogts sahen sich an. Der Kleinere nickte. Das Gesicht seines Begleiters blieb ausdruckslos, aber er erhob keinen Einwand.
    Espina goß den Trank des alten Mannes in einen irdenen Krug und verkorkte ihn. Gerade gab er dem Sohn des Patienten letzte Anweisungen, als Estrella, gefolgt von einer Dienerin mit Brot und Wein, auf ihn zueilte.
    Das Gesicht seiner Frau erstarrte, als er ihr sagte, aus welchem Grund die beiden Männer hier waren. »Was kann die Inquisition nur von dir wollen, mein lieber Bernardo?«
    »Bestimmt brauchen sie nur einen Arzt«, sagte er, und der Gedanke beruhigte sie beide. Während die Männer aßen und tranken, sattelte Juan Pablo Espinas Pferd.
    Seine Kinder waren im Haus eines Nachbarn, wo ein Mönch allwöchentlich Katechismusstunden für die Kleinsten abhielt. Espina war froh, daß sie nicht mit ansehen mußten, wie er, flankiert von zwei Bewaffneten, davonritt.
    Geistliche in schwarzen Kutten eilten durch den Korridor, in dem Espina auf einer Holzbank saß und wartete. Andere warteten ebenfalls. Von Zeit zu Zeit wurde ein bleicher Mann oder eine verängstigte Frau von Wachen hereingebracht und auf eine Bank gesetzt, und andere wurden weggeführt und verschwanden in den Tiefen des Gebäudes. Keiner von ihnen kehrte zurück.
    Espina wartete, bis die Dämmerung hereinbrach und Fackeln angezündet wurden.
    An einem kleinen Tisch saß ein Wachposten. Bernardo ging zu ihm und fragte ihn, wer ihn eigentlich zu sehen wünsche, doch der Mann starrte ihn nur ausdruckslos an und winkte ihn auf die Bank zurück.
    Nach einer Weile kam eine zweite Wache und fragte den Mann am Tisch nach einigen der Wartenden. Espina sah, daß sie zu ihm herübersahen.
    »Der da ist für Fray Bonestruca«, hörte Bernardo den Mann hinter dem Tisch sagen.
    Toledo war in den letzten Jahren sehr gewachsen, aber Espina war hier geboren und hatte sein gesamtes Leben in dieser Stadt verbracht. Als Arzt kannte er sich – wie bereits Prior Sebastian bemerkt hatte – sowohl im Laienstand wie in der Geistlichkeit sehr gut aus.
    Von einem Mönch namens Bonestruca hatte er allerdings noch nie gehört.
    Endlich kam eine Wache zu ihm und führte ihn vom Korridor weg. Sie stiegen eine steinerne Treppe hoch und durchschritten mehrere schlecht beleuchtete Gänge, ähnlich dem, in dem er gewartet hatte. Schließlich wurde er in eine kleine Zelle geführt, in der unter einer Fackel ein Mönch saß.
    Der Mönch mußte neu sein am Toledaner Bischofssitz, denn wäre Espina ihm nur ein einziges Mal auf der Straße begegnet, hätte er sich ohne Schwierigkeiten an ihn erinnert.
    Ein großer Mann mit einem schrecklichen Buckel, der sich über Hals und oberen Rücken wölbte. Espina mußte sich beherrschen, um den Buckel nicht anzustarren. Mit einem schnellen Blick erkannte er eine Masse ungleicher Höhe, mit einem großen Höcker, der sich über der rechten Rückenhälfte und dem Halsansatz erhob, und einer flacheren Mißbildung auf der linken Seite.
    Bis dahin hatte Espina nur einen ähnlichen Fall gesehen: während seiner Lehrzeit, als er seinem Meister bei der anatomischen Untersuchung der Leiche eines ähnlich verunstalteten Mannes zur Hand gegangen war. Damals hatten sie festgestellt, daß der Buckel aus weichem Gewebe bestand, das ein Gewirr aus mißgebildeten Knochen bedeckte. Zusätzlich zu dem Rückenhöcker hatte jener Mann eine starke Einbuchtung des Brustbeins und auffällig geformte Finger und Zehen aufgewiesen, die viel länger waren als gewöhnlich.
    Die Brust des Mönchs war unter den Falten seiner schwarzen Kutte verborgen, aber die Finger waren lang und spachtelförmig, ganz ähnlich denen, die der Lehrling Espina vor so langer Zeit untersucht hatte.
    Sein Gesicht...
    Die Züge des Mönchs waren zwar nicht zu vergleichen mit dem Antlitz Jesu, wie Espina es von Statuen und Gemälden kannte, denn es war ein Gesicht, in dem viel Weibliches aus Zügen männlicher Schönheit hervortrat, und doch staunte Espina, denn ihm schien, als hätte er einen Heiligen vor sich.
    »Ihr seid in der Stadt
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