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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth
Autoren: Robert Silverberg
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Boardman, der ihn dreimal in der Woche besuchte und es sich offensichtlich zum Prinzip gemacht hatte, ihm sehr nahe zu kommen. Muller empfand das als ziemliche Belästigung. Boardman schien ihn mit seiner nicht aus der Not geborenen, völlig unwichtigen Unterwerfung unter die Pein seiner Ausstrahlung allzu altväterlich zu behandeln. „Ich wünschte“, erklärte Muller ihm beim fünften Besuch, „Sie würden größere Distanz halten. Wir könnten uns auch via Bildschirm unterhalten. Oder Sie könnten an der Tür stehenbleiben.“
    „Mir macht die Nähe zu Ihnen nicht viel aus.“
    „Mir aber“, sagte Muller. „Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, daß ich mittlerweile die Menschheit genauso abstoßend finde wie sie mich? Der ekelhafte Gestank Ihres verfetteten Körpers dringt wie ein glühender Pfeil in meine Nase, Charles. Und nicht nur bei Ihnen ist das so, sondern bei allen anderen auch. Eure Ausdünstungen sind unerträglich und gräßlich. Selbst das Aussehen eurer Gesichter. So grobporig. So dämlich, wenn die Münder offenstehen. Und erst die Ohren. Sehen Sie sich bei Gelegenheit mal ein menschliches Ohr aus der Nähe an, Charles. Haben Sie jemals etwas so Abstoßendes wie diese rosafarbenen, verschrumpelten Lauschteller gesehen? Ihr alle widert mich an!“
    „Bedauerlich, daß Sie so denken“, sagte Boardman.
    Der Unterricht schien kein Ende nehmen zu wollen. Muller fühlte sich schon nach Ablauf der ersten Woche fit genug, die Mission anzutreten. Aber nein, vorher wollte man ihm noch alle entsprechenden Informationen aus den Datenbänken zukommen lassen. Er stopfte alles in sich hinein, auch wenn die Ungeduld in ihm immer stärker wurde. Ein Schatten seines alten Ichs war übriggeblieben, der die ganze Sache faszinierend fand, eine Herausforderung, die es wert war, daß man sie annahm. Er würde die Mission durchführen. Er wollte das. Er würde seine Dienste genauso einsetzen wie früher. Er würde seinen Verpflichtungen in Ehren nachkommen.
    Endlich teilte man ihm mit, daß er abreisen könne.
    Vom Mond brachten sie ihn in einem ionengetriebenen Schiff zu einem Punkt außerhalb der Umlaufbahn des Mars’, wo sie ihn in einen Raumer mit Warpantrieb brachten, der schon darauf programmiert war, ihn zum Rand der Galaxis zu befördern. Er würde allein fliegen. Auf dieser Reise brauchte er keine Rücksicht auf die Mannschaft und ihre Reaktion auf seine Ausstrahlung zu nehmen. Etliche Gründe hatten dafür eine Rolle gespielt. Der wichtigste davon war sicher der, daß diese Reise einem Himmelfahrtskommando gleichkam. So wurde sie zumindest von offizieller Seite eingeschätzt. Und da das Schiff auf dieser Reise nicht auf eine menschliche Mannschaft angewiesen war, brauchte man nicht mehrere Leben zu riskieren. Abgesehen von Mullers natürlich. Aber er war ja auch als Freiwilliger anzusehen. Außerdem hatte Muller auf einem Alleinflug bestanden.
    An den letzten fünf Tagen vor seinem Abflug sah er Boardman nicht mehr. Ned Rawlins hatte er seit der Rückkehr von Lemnos überhaupt nicht mehr zu Gesicht bekommen. Muller vermißte Boardman nicht, aber manchmal wünschte er sich, eine weitere Stunde mit Rawlins Zusammensein zu können. Rawlins war so ein vielversprechender junger Mann. Hinter seiner Verwirrtheit und unsicheren Unschuld verbargen sich Reife und Charakterstärke.
    Von der Kabine seines kleinen, schlanken Raumers aus beobachtete er die im Raum treibenden Techniker, die die letzten Vorbereitungen trafen, um die Verbindungsleine zu kappen. Danach würden sie auf ihr eigenes Schiff zurückkehren. In diesem Moment hörte er noch einmal die Stimme von Charles Boardman, der ihm einen letzten Gruß übermittelte. Eine typische Boardman-Ansprache, ein Boardman-Special sozusagen, zur Anfeuerung und Inspiration. Ein ‚Geh hin und tue deine Pflicht für die Menschheit’-Sermon und so weiter und so fort. Muller bedankte sich artig für die schönen Worte.
    Dann wurde die Kommunikationsverbindung unterbrochen.
    Sekunden später trat Mullers Schiff in den Warpraum ein.
     
     
2
     
    Die Aliens hatten an den Randausläufern der Galaxis drei Sonnensysteme in Besitz genommen. Jeder dieser Sterne besaß zwei von Menschen besiedelte Planeten. Mullers Schiff steuerte auf eine grüngoldene Sonne zu, deren Welten erst vor vierzig Jahren von den Menschen entdeckt worden waren. Der fünfte Planet, eine knochentrockene Wüstenwelt, wurde von einer zentralasiatischen Kolonisierungsgesellschaft bewohnt, die unter
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