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Der Mann im braunen Anzug

Der Mann im braunen Anzug

Titel: Der Mann im braunen Anzug
Autoren: Agatha Christie
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staubig.
    Wer hatte ihn dort versteckt? Die Frau oder der Mann? Plötzlich schnüffelte ich misstrauisch. Wurde der Geruch von Mottenkugeln eine fixe Idee von mir? Ich hätte schwören mögen, dass auch der Film danach roch. Ich betrachtete die kleine Rolle näher und bemerkte einen Wollfaden, der sich an der Spule festgeklemmt hatte, und dieser Faden roch durchdringend nach Mottenkugeln! Zu irgendeinem Zeitpunkt musste sich dieser Film also in der Manteltasche des Mannes befunden haben, der an der U-Bahn-Station verunglückte. Sollte auch er in diesem Hause gewesen sein? Kaum, denn das hätte man durch Mrs James erfahren.
    Nein, es musste sich um meinen «Mann im braunen Anzug», handeln! Er hatte den Film und den Zettel aus der Tasche des Verunglückten genommen. Höchstwahrscheinlich war er während seines Kampfes mit der Frau hinuntergefallen und unbemerkt über den Fußboden gerollt.
    Ich hatte einen Fingerzeig erhalten! Als Nächstes musste ich zu einem Fotografen gehen und den Film entwickeln lassen. Das würde mir den Weg zum weiteren Vorgehen weisen.
    In gehobener Stimmung verließ ich das Haus zur Mühle und gab Mrs James die Schlüssel zurück.
    Am nächsten Morgen beeilte ich mich, mein kostbares Röllchen zum Entwickeln zu bringen. Ohne daran zu denken, dass dies auch in der Nähe möglich gewesen wäre, ging ich den langen Weg bis zur Regent Street in ein Spezialgeschäft. Der junge Mann an der Theke löste das Lichtschutzpapier von der Spule, dann blickte er mich lächelnd an.
    «Sie haben sich wohl geirrt, Miss», meinte er.
    «Nein, bestimmt nicht», entgegnete ich.
    «Aber der Film ist noch gar nicht belichtet.»
    Ich verabschiedete mich mit soviel Würde, wie ich aufbringen konnte. Es tut manchmal ganz gut, wenn man entdeckt, was für ein Dummkopf man ist.
    Als ich bei einer großen Schiffsagentur vorbeikam, hielt ich plötzlich inne. Im Schaufenster stand das Modell eines modernen Dampfers – und davor in Metallettern: Kilmorden Castle. Beinahe hätte ich laut aufgeschrien. Hastig ging ich hinein und fragte: «Kilmorden Castle?»
    «Läuft am 17. Januar von Southampton aus. Wollen Sie nach Kapstadt? Erste oder zweite Klasse?»
    «Wie teuer ist die Schiffskarte?»
    «Erster Klasse siebenundachtzig Pfund…»
    Ich unterbrach den Angestellten. Dieses Zusammentreffen konnte kein Zufall sein. Genau der Betrag meiner Erbschaft!
    Da gab es einfach kein Zögern.
    «Erster Klasse», entschied ich fest.
    Nun war ich endgültig dem Abenteuer ausgeliefert.

8
     
    Auszug aus dem Tagebuch von Sir Eustace Pedler,
    Parlamentsmitglied
    10. Januar
    Es ist eine eigenartige Tatsache, dass ich nie zur Ruhe gelangen kann. Und dabei bin ich ein Mensch, der ein geruhsames Leben als höchstes Gut schätzt. Ich liebe meinen Club, ein gemütliches Bridgespiel, ein gutes Essen und einen erstklassigen Wein dazu. Ich liebe England im Sommer und die Riviera im Winter. Sensationelle Begebenheiten liegen mir nicht. Höchstens mag ich dann und wann einen Zeitungsartikel darüber lesen, wenn ich am behaglichen Kaminfeuer sitze. Damit jedoch wäre mein Bedarf an aufregenden Geschehnissen vollauf gedeckt. Mein einziger Lebenszweck besteht darin, ein bequemes, angenehmes Dasein zu führen. Diesem Ziel habe ich viel Nachdenken und eine beachtliche Geldsumme geopfert. Doch kann ich nicht behaupten, immer Erfolg damit gehabt zu haben. Selbst wenn ich persönlich unbeteiligt bin, so geschehen doch alle möglichen Dinge in meiner Umgebung, und manchmal werde ich sogar in den Strudel mit hineingerissen. Diesmal geschah es, weil Guy Pagett heute früh mit einem Telegramm in mein Schlafzimmer kam und ein Gesicht machte, als ginge er zu einer Beerdigung.
    Guy Pagett ist mein Sekretär, ein fleißiger, gewissenhafter Mensch und in jeder Beziehung bewundernswert. Ich kenne niemanden, der mich mehr langweilt als er. Lange Zeit habe ich überlegt, wie ich ihn loswerden könnte. Aber man kann natürlich einen Sekretär nicht nur deshalb entlassen, weil er zu fleißig ist und die Arbeit jedem Vergnügen vorzieht, weil er morgens früh aufsteht und sage und schreibe keinen einzigen Fehler besitzt.
    Vorige Woche bin ich auf die glänzende Idee gekommen, ihn nach Florenz zu schicken. Er hatte von dieser Stadt gesprochen und gewünscht, sie einmal zu sehen.
    «Aber mein Bester», rief ich, «Sie werden morgen schon hinfahren! Ich übernehme sämtliche Ausgaben.»
    Natürlich ist der Januar nicht gerade die geeignetste Jahreszeit, um sich Florenz
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