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Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Titel: Der Mann auf dem blauen Fahrrad
Autoren: Lars Gustafsson
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großen Dohlenschwarms, der einen weiten kalligraphischen Bogen über den Kronen der Ahornbäume flog.
    Und jetzt, zu allem Überfluss, dieser rasch zunehmende Schmerz im Handgelenk. Er entschied, dass es nicht gebrochen war, aber beinahe.
    Die Aussicht auf einen leicht vonstattengehenden Verkauf des Haushaltsgeräts Assistent als triumphalen Abschluss des Abends schien sich rasch zu einem sehr schwachen Licht am Horizont zusammenzuziehen.
    Und dann waren die Hunde zu hören. Deutlicher mit jedem Schritt. Es war nur allzu offenkundig, dass sie dem ungebetenen Gast entgegenliefen. Gott sei Dank, dachte er, dass diese verdammte Hand wenigstens nicht blutet. Es fiel ihm jetzt schwer, das Fahrrad auch nur zu schieben.
    Janne fehlte es nicht an Erfahrung mit Hunden. Keineswegs. Bei den Granbergs in Hallsta, wo er mit seiner Mutter in zwei Zimmern unter dem Dach gewohnt hatte, gab es nicht weniger als drei. Granberg war Jäger und versäumte es selten, die Hunde mit auf die Jagd auf Hasen und Seevögel zu nehmen. Es waren ein nervöser und hellwacher Setter, ein Labrador, der sogar imstande war, an einem Vorfrühlingsabend zwischen den Eisschollen des Kolbäcksån zu schwimmen, und ein Stöberhund. Große böse Hunde konnten überraschend freundlich werden, wenn man mit väterlich entschiedener, aber freundlicher Stimme zu ihnen sprach. Ungefähr wie ein gebieterischer, aber wohlwollender Volksschullehrer.
    Aber diese Exemplare hier gehörten zur schlimmsten Sorte. Dackel! Teckel, eine aggressive und lebenslustige Bande, fünf oder sechs, es war nicht leicht zu erkennen wie viele. Er hatte den Eindruck, als hätten Dackel eine besondere, vererbte Antipathie gegen auf Rädern herumfahrende Vertreter.
    Es gab Menschen, die entsetzliche Dinge erlebt hatten, und Menschen, die sich vorstellten, die Welt würde jetzt besser werden. Jetzt, im Jahr 1953, da die bösen Kräfte – oder jedenfalls die allerbösesten – besiegt waren. Falls es nun wirklich so war. Manchmal waren es dieselben Menschen, manchmal zwei völlig unterschiedliche Gruppen. Es gab Menschen, die überlebt und solche, die nicht überlebt hatten. Andere hatten es schlechter gehabt. Man sollte sich nicht beklagen. Man selbst war beispielsweise noch am Leben. Das war nicht bei allen der Fall.
    Der Laden. Das war schon lange her. Es war tatsächlich noch in der Vorkriegszeit gewesen. Gegen Ende der Vorkriegszeit. Eine schlechte Zeit, um Läden zu eröffnen. Jetzt waren andere Zeiten. Jetzt galt es zu beweisen, wozu man taugte.
    Diese verdammten Hunde waren nicht groß. Sie waren tatsächlich ziemlich klein. Aber dafür waren es viele. So viele, dass sie Probleme verursachen konnten. Sechs oder sieben – es war nicht so leicht zu zählen in dem spärlichen Abendlicht, das von den Kronen der Alleebäume fast vollständig geschluckt wurde.
    Janne, noch immer ganz mit der Frage beschäftigt, ob das schmerzende Handgelenk wirklich gebrochen oder vielleicht nur verstaucht war, gab gezielt einen leichten Tritt gegen den Hund ab, der ihm am nächsten gekommen war. Das Tier parierte diesen zahmen Versuch damit, dass es zur Seite sprang. Es war nicht ganz einfach, das schwer beladene Fahrrad mit der einen Hand aufrecht zu halten, während diese unangenehme Meute nach seinen Hosenschlägen schnappte. Wo jedoch das kühle Metall der Fahrradklammern eine unerwartet dämpfende Wirkung hatte, wenn sie zwischen ihre scharfen Zähne gerieten. Von diesem geringen Trost kaum beruhigt und angesichts des Regens, der offenbar immer mehr zu einem Platzregen wurde und immer tiefer in seinen Kragen eindrang, erwog Janne ernstlich, den Rückzug anzutreten.
    In diesem Augenblick war ein langer, durchdringender Pfeifton in der Allee zu hören. Die Hunde schienen für einen Augenblick innezuhalten, ehe sie wieder zu dem kollektiven Bellen und Schnappen übergingen. Janne, ziemlich zufrieden damit, dem widerlichsten Angreifer endlich einen Tritt in den Brustkorb versetzt zu haben, so dass der sich wimmernd im Kies wälzte, hatte das Gefühl, diese Situation nicht sehr viel länger ertragen zu können, als ein erneuter Pfeifton die ganze Meute dazu brachte, von ihm abzulassen und zu dem Hof zurückzukehren, dessen weiße Fassade noch immer vor ihm in der rasch zunehmenden Dunkelheit schimmerte.
    Wer da so herrisch und effektiv pfiff, war nicht zu erkennen. Aber zweifellos handelte es sich um jemanden, der bei diesen Hunden einen großen Respekt genoss. Da der Schmerz ihm kaum einen anderen
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