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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition)
Autoren: Frode Granhus
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schickte.
    »Tja, jetzt müssen wir wohl wieder mitspielen«, resignierte Lind. »Erklärungen oder Abfertigungsversuche sind bei dem vergebliche Liebesmüh. Damit würde man die Dinge bloß schlimmer machen.«
    Niklas hörte es im Korridor rumpeln, dann klopfte es kräftig an der Tür.
    »Ja, herein.« Der Kollege schlug einen strengeren Ton an.
    Der Mann, der mit einem alten Spaten in der Hand ins Zimmer kam, mochte etwa Mitte fünfzig sein. Eine ausgeblichene Regenhose schlotterte ihm um den mageren Körper, an den Stiefeln klebte getrocknete Erde. Seinen Haaren nach zu urteilen, die ihm am Kopf klebten, musste er hart gearbeitet haben. Auch der Geruch, der schon nach Sekunden den Raum erfüllte, ließ es vermuten. Der Mann blieb stehen und schnaufte schwer, bevor er die freie Hand hob. »Korneliussen«, murmelte er.
    Niklas begriff, dass der Mann sich auf das Namensschild an der Tür bezog, das bis jetzt noch nicht ausgetauscht worden war.
    »Korneliussen ist immer noch krankgeschrieben.« Lind hielt an seinem gebieterischen Ton fest. »Das ist Niklas Hultin, der die Vertretung übernommen hat.«
    Der Mann maß Niklas mit skeptischen Blicken. Offenbar schien ihm Korneliussen unersetzlich. Seine eng beieinanderstehenden Augen verliehen ihm einen müden Ausdruck, und seine leicht gebeugte Haltung verstärkte den Eindruck von Erschöpfung und Resignation. »Siebzehn Quadratmeter«, sagte er und drehte sich um.
    »Und, nichts gefunden?«
    Der Wanderer schüttelte den Kopf.
    »Auf jeden Fall hatten Sie das Wetter heute ja auf Ihrer Seite.«
    »Heute schon.«
    »Sie können sich doch auch mal einen freien Tag gönnen, wenn der Südwestwind den Regen reinpeitscht.«
    Der Wanderer senkte den Blick und schüttelte verbissen den Kopf. »Zahnwehwetter«, murmelte er.
    Lind lächelte und blinzelte seinem Kollegen schelmisch zu. »Ja, so was ist echtes Zahnwehwetter. Deswegen halte ich mich auch nur dann draußen auf, wenn es unbedingt notwendig ist.«
    »Das ist es aber.«
    »Bitte?«
    »Es ist notwendig.«
    Einen Moment sah es so aus, als wollte Lind einen Versuch unternehmen, den Mann vom Gegenteil zu überzeugen, doch dann resignierte er. »Verstehe.«
    »Ich schaffe es bis Bergmyr, bevor der Frost kommt.«
    »Sehr gut.«
    Ein rascher Blick zu Korneliussens Vertreter. »Ich hab’s ausgerechnet.«
    »Was haben Sie ausgerechnet?«, erkundigte sich Lind.
    »Ich kann nicht sterben, bevor ich sechzig bin.«
    »Ach ja?«
    »So lange brauche ich noch, bis ich die Wiesen am Strand erreicht habe.«
    Lind nickte verständnisvoll.
    »Aber ich werde sie schon vorher finden.«
    »Ich drücke Ihnen die Daumen.«
    Niklas sah, wie sich die Finger des Mannes fester um den Spatenstiel schlossen. Die Knöchel wurden weiß, und die Muskeln im Unterarm spannten sich. »Sind gerade viele Steine«, sagte er, bevor er sich die Schweißperlen von der Stirn wischte. »Im Moment geht es nicht besonders schnell. Ich könnte wirklich Hilfe gebrauchen.«
    »Darüber haben wir doch schon gesprochen.«
    »Sie ist da aber irgendwo.«
    Niklas fand den ganzen Auftritt äußerst seltsam. Sein Kollege hatte ihn auf die Besuche des Wanderers vorbereitet und ihm erzählt, wie er die Tage damit verbrachte, die Insel umzugraben. Doch niemand hatte ein Wort darüber verloren, wonach der Mann eigentlich suchte.
    »Jetzt geh schön nach Hause, Konrad.«
    Wieder tupfte sich der Mann den Schweiß ab. »Haben Sie gehört, was ich gesagt habe? Siebzehn Quadratmeter waren es heute.«
    »Ist notiert.«
    Der Wanderer öffnete die Tür und ging langsam rückwärts hinaus, wobei er sorgfältig darauf achtete, nicht mit dem Spaten anzustoßen. »Sie ist da irgendwo«, wiederholte er, bevor er die Tür schloss.
    Lind zog eine Grimasse und machte das Fenster auf. »So, hier muss erst mal gelüftet werden.«
    »Was war das denn?«
    »Willkommen in Bergland. Jedes Dorf hat sein Original. Der Wanderer ist unseres.«
    Gierig sog Niklas die frische Luft ein. »Gräbt er jeden Tag?«
    »Jeden Tag, aber wirklich jeden.«
    »Bräuchte er nicht mal Hilfe?«
    »Womit?«
    »Womit wohl?«
    »Geistig ist der Wanderer bestimmt etwas minderbemittelt, aber er stört niemanden. Er wohnt allein und kommt bestens zurecht. Wie du gerade merken konntest, ist Hygiene nicht gerade seine stärkste Seite, aber er gräbt den halben Tag fleißig mit seinem Spaten. Ich habe übrigens keine Ahnung, wie viele er davon schon verschlissen hat. Egal, der Mann ist harmlos, und er ist nicht so dumm, dass er
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