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Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Titel: Der männliche Makel: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Carroll
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fairerweise zugutehalten, dass sie auch viele Anhänger hatte, die sie für die beste lebende Blattmacherin hielten. Für eine moderne Feministin des einundzwanzigsten Jahrhunderts, die Journalisten dazu ermutigte, die Leserschaft in regelmäßigen Abständen vor den Kopf zu stoßen. Außerdem schrieb sie bissige Leitartikel, die in bildungsbürgerlichen Kreisen zur Pflichtlektüre geworden waren.
    Obwohl man hinzufügen muss, dass die meisten Fans von Eloise sie nicht persönlich kannten und ihr noch nie begegnet waren.
    Und wie war sie eigentlich? Eloise gab nur selten Interviews oder tat etwas für ihr Image. Bei der jüngsten Verleihung des Preises »Vorbildlichste Geschäftsfrau des Jahres« hatte ein tapferer Journalist gewagt, sie zu fragen, wie sie mit den Gerüchten zurechtkäme, dass sie bei der Post unbeliebt sei. Jeder andere hätte auf diese Unverblümtheit konsterniert reagiert, nicht aber Eloise.
    »Ich bin noch jung«, erwiderte sie achselzuckend. »Und ich habe eine der exponiertesten Stellungen in der Zeitungsbranche dieses Landes inne. Natürlich führt das zu Missgunst. Damit muss man leben.«
    Allerdings hat das Schicksal die unangenehme Angewohnheit, sich sogar in das wohlgeordnete Leben der erfolgreichsten Menschen einzumischen. So auch offenbar bei Eloise.
    Eigentlich wäre es gar nicht so schlimm gewesen, denn dieses grässliche Geburtstagstheater hatte als ganz gewöhnlicher und normaler Arbeitstag angefangen. Genauso hätte es auch bleiben sollen, denn von kitschigen Luftballons mit der marktschreierischen Aufschrift Du bist dreißig! , kombiniert mit einem billigen Sandkuchen, hätte sie vermutlich Ausschlag bekommen. Das Problem war nur, dass ihr Redaktionsleiter, ein reizender, jungenhafter Mann, sich gewaltige Mühe gegeben hatte, um diesen jämmerlichen Umtrunk anlässlich des meilensteinhaften Geburtstagsdatums zu organisieren. Vermutlich hauptsächlich getrieben von irregeleitetem Pflichtgefühl.
    Auch wenn das Eloise ganz und gar nicht in den Kram passte, hatte sie gute Miene zum bösen Spiel gemacht – wenn auch mit der Begeisterung einer Geisel, der man eine Pistole an den Kopf hält.
    Herausgekommen war eine absolute Katastrophe. Den ganzen Tag lang war ihr ausgeklügelter Terminplan ständig davon unterbrochen worden, dass Leute, die sie kaum kannte und auch nicht sonderlich mochte, anriefen, um ihre Teilnahme an fraglichem Umtrunk aus verschiedenen, nicht sehr glaubwürdigen Gründen abzusagen.
    Die mieseste Ausrede lautete wie folgt: »Ich wünsche dir eine schöne Geburtstagsfeier und würde gern dabei sein, aber, weißt du, ich habe versprochen, meinen Dad im Krankenhaus zu besuchen. Ihm geht es nämlich nicht gut, und es müssen einige Untersuchungen gemacht werden …«
    Diese Begründung war es, die für Eloise das Fass zum Überlaufen brachte. Als ihr Vater vor einigen Jahren gestorben war, hatte sie am folgenden Morgen um sechs am Schreibtisch gesessen und war pünktlich auf die Minute zur ersten Redaktionssitzung des Tages erschienen. Gefasst und absolut professionell, ganz gleich, wie sehr es ihr auch das Herz gebrochen haben mochte.
    Und dann war ausgerechnet der arme abgehetzte Redaktionsleiter, der den ganzen Tag hinter Eloises Rücken auf ihre Kollegen eingeredet und sie angefleht hatte, doch wenigstens für ein paar Minuten bei ihrer Geburtstagsfeier vorbeizuschauen, mit besorgter Miene in ihr Büro gekommen, um ihr mitzuteilen, dass er leider auch absagen müsse, weil bei seiner Frau verfrüht die Wehen eingesetzt hätten. Eloise konnte nur noch die Augen zur Decke verdrehen.
    Und da stand sie nun. Allein mit etwa zweihundert unverzehrten Cocktailwürstchen von Marks & Spencer und im Stich gelassen von ihren »Gästen«, von deren hastiger Flucht nur noch eine Staubwolke zeugte. Und es war erst halb neun.
    Eine schwächere Frau als sie wäre wohl verzweifelt gewesen und hätte sich gezwungen gesehen, ihr Leben einer Bestandsaufnahme zu unterziehen. Sie hätte sich gefragt, warum niemand privat Zeit mit ihr verbringen wollte und sich kein Mensch für ihren Geburtstag interessierte oder wer sie … nein, so etwas durfte sie nicht einmal denken … wirklich gernhatte. Aber nicht Eloise.
    Erstaunlicherweise eilte sie an diesem desolaten Abend anders als sonst nicht einmal zurück an ihren Schreibtisch, um die versäumte Zeit nachzuarbeiten. Stattdessen blieb sie, tief in Gedanken versunken, im leeren Konferenzraum zurück. Dabei darf man nicht vergessen, dass sie
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