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Der Lüge schöner Schein

Der Lüge schöner Schein

Titel: Der Lüge schöner Schein
Autoren: Reginald Hill
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versteinert an der Tür stehen geblieben war, »was hatten Sie eigentlich mit dem Geld vor?«
    »Ich glaube, ich sollte zuerst etwas klarstellen«, mischte sich Davenant ein. »Alle haben das Recht, alle Fakten zu erfahren, meinen Sie nicht, Superintendent? Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich an diesem Abend im Brookside Cottage war. Ah. Atemlose Spannung rundum. Aber kurz nach sieben bin ich gegangen, und da war alles noch in schönster Ordnung. Dann bin ich dem lieben Hartley auf die Bude gerückt, und wir haben zusammen seinen traumhaften Whisky geschlürft und über Kultur im Allgemeinen geplaudert, bis – wie lang wohl, liebster Hartley? – ungefähr halb elf?«
    Verdammt!, dachte Pascoe. Das hatte er kommen sehen. Er verstand Backhouse’ Taktik nicht. Die Trennung von Verdächtigen und Zeugen war für die Klärung eines Falles grundsätzlich genauso notwendig wie die Trennung von Dotter und Eiweiß für ein Soufflé. Und jetzt stand Davenant hier und forderte Culpepper vor versammelter Menge auf, ihm ein Alibi zu geben. Oder erinnerte ihn an eine Abmachung.
    Aber Culpeppers Antwort konnte Davenant nur ein schwacher Trost sein. Er sah ihn ausdruckslos, mit leerem Blick an, wandte sich um und ging hinaus. Marianne blickte mit dem allzeit bereiten entschuldigenden Lächeln der perfekten Gastgeberin kurz in die Runde und folgte ihm.
    »Nun, Mr. Davenant«, sagte Backhouse. »Ich bin überzeugt, Mr. Culpepper wird Ihre Geschichte bestätigen können, wenn es ihm wieder besser geht. Oder gibt es noch jemand anderen, der uns behilflich sein könnte? Ist Mrs. Culpepper nach Hause gekommen, während Sie da waren?«
    »Nein. Nein. Nicht direkt«, antwortete Davenant. »Zumindest habe ich sie nicht gesehen. Aber ich kann natürlich nicht sagen, ob sie nicht vielleicht früher gekommen ist, Hartley und mich reden gehört hat, uns nicht stören wollte und auf ihr Zimmer gegangen ist. Ja, das wäre natürlich möglich, ganz bestimmt sogar.«
    Dieses arrogante Schwein!, dachte Pascoe. Der erfindet aus dem Stegreif Alibis und stellt sie öffentlich zur Schau. Marianne ist natürlich nicht hier und bekommt nichts davon mit. Aber ihr Hausfreund ist da, und Davenant weiß es!
    Langsam entstand ein Bild vor Pascoes geistigem Auge. Es war noch nicht fertig, aber die Umrisse waren deutlich erkennbar. Und je genauer er es untersuchte und je ausgewogener er die Komposition fand, desto mehr schwoll die Wut in seiner Brust an, bis sie groß genug war, sich in schwarzem Hass zu entladen.
    Gegen Davenant.
    Gegen Davenant, der an diesem fatalen Freitagabend in Brookside aufgetaucht war. Gegen Davenant, der mit Rose und Colin und Timmy und Carlo zusammengesessen und etwas getrunken hatte. Gegen Davenant, der aus Gründen, die noch immer im Dunkeln lagen, eine Schrotflinte genommen und Timmy und Carlo ins Jenseits befördert hatte. Der im Garten auf Rose gestoßen war und sie bei der Sonnenuhr liegen und verbluten lassen hatte. Der Colin verfolgt und umgebracht und seine Leiche in einen dunklen, feuchten Kanal gestopft hatte, wo die Fliegen sich seiner annehmen sollten.
    Logisch denken, ermahnte er sich. Denken! Also gut. Davenant wusste, dass Culpepper im Ort wohnte, hatte ihn schon früher auf seinen »Hehlerreisen« besucht. Vielleicht war er an diesem Abend wirklich bei ihm gewesen. Vielleicht war es auch nur eine Erfindung, die sich irgendwann einmal als nützlich erweisen konnte. Jetzt wurde sie gebraucht. Er stand unter Druck aus allen Richtungen. Aus Yorkshire, wo Ethereges kleines Imperium gerade auseinander fiel. Und hier, wo sein Wagen an jenem Freitagabend aufgefallen war.
    Also kommt er zu Culpepper zurück. Er braucht zwei Dinge. Ein Alibi und Geld. Mit der Drohung, ihre geschäftlichen Verbindungen – Hehler und Abnehmer – zu enthüllen, zielt er darauf ab, Culpepper beides zu entlocken. Aber Culpepper hat kein Geld. Dann leih dir welches, schlägt Davenant vor. Von wem? Versuch’s doch bei Pelman, sagt Davenant mit einem viel sagenden Blick auf Marianne. Ja, diese Information hatte er sich bestimmt ohne Schwierigkeiten beschafft. Und Pelman ist bereit zu kooperieren. Schlechtes Gewissen? Angst vor einem Skandal? Um Marianne zu schützen? Wer konnte das wissen? Ein Detail, das später nachgetragen werden konnte.
    Aber Davenants Plan war in Gefahr. Die öffentliche Bekanntmachung von Culpeppers Arbeitslosigkeit hatte den Mann aus dem Gleichgewicht gebracht. War das vielleicht auch ein Teil der Erpressung
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