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Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt
Autoren: Corina Bomann
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verstecken.«
    »Papa …«
    »Wir haben keine Zeit.« Er öffnete die Türen des hohen Schrankes, in dem die Fechtwesten aufbewahrt wurden. Er räumte die Kleidungsstücke beiseite und öffnete eine Klappe im Boden. Staunend sah ich, dass sich dort ein Loch befand.
    »Das ist ein Geheimgang«, erklärte er mir. »Bleib hier unten und rühr dich nicht. Du kannst die Luke von innen verschließen, sodass niemand dir hinterherkommen kann.«
    »Aber …«
    Papa ließ keinen Einwand gelten. »Wenn alles vorbei ist, klopfe ich dreimal an die Tür. Dann kannst du aus dem Gang und dem Schrank kommen. Sollte das innerhalb der nächsten Stunden nicht geschehen, verlässt du das Schloss durch den Gang. Du kommst unter einem Pferdestall im Dorf heraus. Dort nimmst du dir eines der Pferde und reitest nach Calais. Frage nach Monsieur Dupree, er wird dich in Sicherheit bringen.«
    Seine eiskalten Hände umfassten meinen Nacken. Warum war Papa, den sonst nichts aus der Ruhe brachte, so panisch?
    »Hast du das verstanden? Versprichst du mir, dass du das tun wirst?«
    »Ich verspreche es«, presste ich hervor und versuchte gegen das Schluchzen anzugehen, das in meiner Kehle emporstieg.
    »Ich liebe dich, mein Kind.« Weinend zog er mich an sich und küsste mich auf die Stirn. Dann eilte er zum Waffenständer und zog einen Degen hervor. Es war das prächtigste Stück seiner Sammlung, wie ich an dem Rubin auf dem Kauf erkannte. In den Stein war eine Lilie eingeschliffen.
    »Nimm diesen Degen. Du weißt, wie du damit umzugehen hast. Sollte sich dir wider Erwarten irgendwer entgegenstellen, töte ihn!«
    »Sollte ich nicht besser …«
    »In den Schrank, Christine!«, fuhr er mich an. »Und sei um Himmels willen still!«
    Erschaudernd kletterte ich in das Loch, dem ein modriger Geruch entströmte. Meine Zähne klapperten plötzlich. Ich drückte den Degen fest an meine Brust und erblickte ein letztes Mal Papas Gesicht über mir. Dann schloss er die Luke. Ich hörte, wie er Westen und Fechtröcke über die Luke stapelte, dann wurde es still.
    Ich war mit meiner Furcht und der Dunkelheit allein.

6
    Die folgenden Augenblicke dehnten sich furchtbar. Mein Versteck erschien mir wie ein Grab. Kälte drang durch mein Nachthemd. Ich schloss die Augen und lauschte.
    Die Reiter polterten die Außentreppe hinauf. Ihre Degen schlugen gegen ihre Stiefel, und das waren offenbar nicht die einzigen Waffen, die sie bei sich trugen.
    »Meine Söhne, ihr wisst, was ihr zu tun habt!«, erscholl Papas Stimme über mir.
    »Ja, Vater!«, riefen sie im Chor, dann eilten sie zu den Waffenständern und zogen ihre Klingen hervor. In meiner Hand kribbelte es. Nur zu gern wäre ich oben geblieben, um unser Schloss gegen die Eindringlinge zu verteidigen!
    Ich umklammerte den Griff des Degens so fest, dass ich jede Rille der Drahtwicklung spürte. Als ich die Stimme meiner Mutter vernahm, zuckte ich zusammen. »Was wollt Ihr?«, fragte sie die späten Besucher.
    Warum hatte sie sich nicht in Sicherheit gebracht?
    »Madame d’Autreville.« Die fremde Männerstimme klang falsch und eisig. »Es ist lange her, nicht wahr?«
    »Ihr?« Offenbar kannte meine Mutter den Mann. »Verschwindet von hier. Ihr werdet nicht finden, wonach Ihr sucht.«
    »Das will ich von Eurem Gemahl persönlich hören«, entgegnete der Fremde. »Tretet zur Seite, Madame!«
    »Meine Gemahlin hat recht«, sagte Papa nun. »Das Einzige, was Ihr hier finden könnt, ist der Stahl unserer Klingen.«
    Ach, hätte ich doch nur einen Blick auf die ungebetenen Gäste werfen können! Es wäre sicher nicht schwer gewesen, die Luke aufzudrücken, die Westen wogen nicht viel. Doch das Versprechen, das ich Papa gegeben hatte, hielt mich zurück.
    Einen Atemzug später prallten Klingen aufeinander. Ein wildes Gefecht entbrannte.
    Sorge überkam mich plötzlich. Meine Mutter war ebenfalls dort draußen. Sie hatte Papa nicht in irgendeinen Schrank gesteckt! Ich hoffte, dass sie klug genug war, sich während des Gefechts nach oben zu begeben.
    Ein Schrei übertönte plötzlich das Waffenklirren, Roland!
    Wenig später folgte ein dumpfer Aufprall. Meine Mutter wimmerte leise auf. Sie war noch immer unten!
    Die Angst, dass mein Bruder getötet worden sein könnte, schnitt mir wie ein Messer in die Eingeweide. Doch damit nicht genug. Mein Gehör offenbarte mir weitere Schrecken. Mein Vater schrie auf, dann Antoine. Eine Klinge wehrte sich noch gegen die Übermacht der anderen, doch auch sie wurde bezwungen. Noch nie
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