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Der letzte Krieger: Roman

Der letzte Krieger: Roman

Titel: Der letzte Krieger: Roman
Autoren: David Falk
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versiegt.
    Nur noch wenige Pferdelängen trennten die Heere voneinander. Athanor hielt an, musterte die vorderste Reihe des Feindes. Totenschädel leuchteten fahl unter Helmen. Entstellte Gesichter starrten ins Nichts. Seine Hand tastete nach dem Schwert, um das Signal zum Angriff zu geben, als eine der zerlumpten Gestalten vortrat. Vier Schritte kam sie Athanor entgegen, dann blieb sie stehen, sah ihn blicklos an. Verblüfft nahm Athanor die Hand wieder vom Schwertgriff.
    »Ein Unterhändler«, wunderte sich Elanya hinter ihm.
    »Was sollte es für dieses Heer zu verhandeln geben?«, zweifelte Davaron.
    »Finden wir es heraus.« Athanor sah zu Orkzahn auf. »Bleib mit deinen Leuten zurück, bis ich euch ein Zeichen gebe!« Wen hatte er vor sich? Xanthos? Er trieb sein Pferd noch ein Stück auf den Untoten zu, dann sprang er ab. Heerführer, die verhandelten, sollten sich auf Augenhöhe begegnen.
    Auch Davaron und Elanya hielten ihre Tiere an und folgten ihm zu Fuß wie zwei Leibwächter. Athanor bedeutete ihnen mit einer Geste, zurückzubleiben. Jedes Ungleichgewicht konnte den Gegner provozieren. Der Untote trug keine Rüstung. Aus der Nähe entpuppten sich seine Lumpen als angesengte, einst kostbare Gewänder, in denen Risse und Brandlöcher klafften. Die rechte Schulter und das halbe Gesicht waren verkohlt wie Hrodomars Beine. Je genauer Athanor die Gestalt betrachtete, desto größer wurde die Leere in seinem Innern. Der mit Gold beschlagene Gürtel, die geschwärzten Stickereien, der zerschmolzene Goldreif auf dem Haupt kamen ihm bekannt vor, doch die Züge des Toten waren völlig entstellt. Es fiel ihm schwer, seine Kehle weigerte sich, das Wort hervorzubringen, aber dann kam es doch, als heiseres Flüstern. »Vater?«
    Der tote König straffte den ausgemergelten Leib. Vorwurfsvoll deutete er auf das Heer, das sein Sohn gegen ihn, gegen Theroia führte.
    Verräter. Das Wort stand so deutlich zwischen ihnen, sodass es nicht ausgesprochen werden musste. Athanor war davongerannt, während sein Vater einen grausamen Feuertod gestorben war. Und nun kam er als Feind zurück, kämpfte an der Seite derer, die die Leichen seiner Ahnen zerrissen, obwohl es seine Aufgabe gewesen wäre, sie zu schützen. Tiefer konnte er in den Augen seines Vaters nicht sinken.
    Ich wollte überleben. War das so falsch? Immerhin war es ihm gelungen. Konnte man nicht sagen, dass Theroia nicht gänzlich tot war, solange er lebte? »Es tut mir leid, wie du gestorben bist, Vater. Aber es war deine eigene Schuld. Du hattest das Bündnis geschlossen, nicht ich.«
    Der tote König bewegte erneut den Arm. Ungläubig starrte Athanor ihn an. Die Geste war unmissverständlich. Sein Vater forderte ihn auf, an dessen Seite zu kommen. Er war bereit, ihm zu vergeben, wenn er sich seiner Verpflichtung gegenüber Theroia besann.
    Das Schweigen der Elfen wog schwerer als jeder Versuch, sich einzumischen. Sie ließen ihm die Wahl, selbst Mahalea, die zwischen Davaron und Elanya getreten war. Doch vielleicht hatte ihnen auch nur die Wahrheit über seine Herkunft die Sprache geraubt.
    Ein Teil von ihm wollte die ausgestreckte Hand ergreifen und Frieden in der Versöhnung finden. Nie wieder hätte er darüber nachdenken müssen, was gewesen wäre, hätte er sein Volk nicht verraten. Und doch …
    Der tote König sah ihn nur an.
    »Ich bin dein Sohn, dein Thronfolger. In meinen Adern fließt Theroias letztes Blut. Müsstet ihr nicht mich – und meine Verbündeten – beschützen, anstatt mich zu bekämpfen?«
    Ein Geräusch ging durch die Menge der Toten. Im ersten Augenblick glaubte Athanor an ein Raunen, doch dann sah er die Gasse, die sie bildeten, und begriff, dass es nur das Knirschen und Knistern ihrer vertrockneten Glieder war, während sie hastig zur Seite wichen. Auch sein Vater trat beiseite und sah sich nach der hochgewachsenen Gestalt um, die auf Athanor zukam. Eine aufwendige Rüstung unterstrich ihre breiten Schultern. An der Hüfte hing ein ungewöhnlich großes Schwert. Auch wenn die goldenen Einlegearbeiten nur matt glänzten und der Umhang fleckig war, hatte Athanor keinen Zweifel, wem er gegenüberstand.
    War es Magie oder die Kunst eines besonders fähigen Balsamierers, die König Xanthos’ Gesicht so viel besser bewahrt hatte, obwohl sein Tod tausend Jahre zurücklag? Athanor erwartete geradezu, Augen hinter den halb geöffneten Lidern zu entdecken, doch er fand nur Schwärze. Wie konnte der Untote ihn dennoch so bohrend ansehen, dass er
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