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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Ursprünglich
wurde Tee zubereitet, indem die Blätter der Teepflanze frisch gezupft und in
heißes Wasser geworfen wurden. In der frischen Form hält sich Tee aber nicht
lange, deswegen trocknet oder fermentiert man ihn. Das eigentliche Heimatland
des Tees ist China.«
    Â»Soll ich mir das wirklich alles merken?«
    Â»Ja. Die erste grobe Unterscheidung bei Tees ist die zwischen
fermentierten und unfermentierten Tees. Es gibt vier Hauptarten: den grünen
Tee, den weißen Tee, Oolong und den schwarzen Tee sowie die Sonderformen des
gelben Tees und des nachvergorenen Tees.«
    Pit stand auf und hätte dabei fast den Tisch umgeworfen. »Was soll
das denn? Ich will mein Frühstück! Und Kaffee! Ich bin nicht nach Cambridge
gekommen, um mir irgendeinen Scheiß über Tee anzuhören.«
    Â»Nein, Sie sind nach Cambridge gekommen, weil Sie blutlüstern sind.
Jawohl, da brauchen Sie gar nicht zu widersprechen. Aber es ist gut, dass Sie
da sind. Sie können mir helfen, mein Leben zu retten.«
    Â»Indem ich ein exklusives Teeseminar beim Professore besuche?«
    Â»Exakt. Sie werden sich nämlich bei Auntieʼs Tea House gegenüber der
Kirche Great St Maryʼs bewerben. Von dort stammt der Tee, mit dem die Leichen
aufgebrüht wurden, und auch der, den wir gestern in meiner Küche entdeckt
haben. Sie werden herausfinden, wer ihn gekauft hat.«
    Â»Mal im Klartext: Ich soll also undercover arbeiten? Für Sie? In
einem Tea House? Ich ?«
    Der Professor hatte das Gefühl, dass das Gespräch in die falsche
Richtung lief. Aber Ehrlichkeit gegenüber einem Freund musste sein. »Wenn Sie
so wollen.«
    Â»Mach ich sofort!«, rief Pit zu Bietigheims Überraschung. »Ein Tea
House infiltrieren! Abgefahren! Obwohl ich natürlich besser zu einem
Filterkaffeeladen passen würde.« Er grinste breit. »Schießen Sie los mit den
Tee-Infos! Oder besser: Gießen Sie los!«
    Â»Dann fahre ich fort. Grüner Tee wird nicht fermentiert, sondern
erhitzt. Entweder im Wasserdampf, dann spricht man von gedämpftem Grüntee,
oder, was viel häufiger geschieht, mittels Öfen. Dadurch wird jegliche
enzymatische Aktivität in den Blättern unterbunden. Danach werden sie
getrocknet.« Er drehte sich um, kochte schnell etwas Wasser auf, ließ es
abkühlen und goss es in einen Tea Taster, der bereits grüne Teeblätter
enthielt.
    Â»Die meisten Menschen mögen deshalb keinen Grüntee, weil sie ihn wie
schwarzen zubereiten, dann wird er bitter und adstringierend, man verzieht das
Gesicht, und der Geschmack bleibt lange haften. Probieren!«
    Pit folgte seinem Befehl. »Eklig. Wie dünne Gemüsesuppe mit totem
Friseur. Kann ich Milch und Zucker haben?«
    Â»Nein. Gibt man niemals hinein.«
    Â»Ist das wenigstens gesund?«
    Bietigheim nickte. »Vor allem in pulverisierter Form, dann nennt man
es Matcha-Tee. Aber nun weiter im Text: Weißer Tee ist sehr schwach
anfermentiert – wobei die Fermentation Teil des natürlichen Welkprozesses ist.
Für die Herstellung eines Kilogramms dieser Sorte werden rund dreißigtausend
handgepflückte Knospen benötigt.«
    Â»Und warum heißt der weißer Tee? Hat der keine Farbe?«
    Der Professor schüttelte den Kopf. Er musste offenbar bei null
anfangen. »Die Härchen an den Blattunterseiten und an den Knospen weisen eine
silberne Farbe auf.«
    Bietigheim goss den Tee auf. Das Wasser füllte er erst in den Tea
Taster, als die Temperatur zwischen siebzig und achtzig Grad lag. Er brauchte
dafür kein Thermometer, das hatte er im Gefühl.
    Pit probierte. »Schmeckt mir auch nicht. Außerdem ist er hellgelb
und nicht weiß.«
    Â»Darin waren die Leichen eingelegt.«
    Â»Schmeckt dadurch nicht besser.« Pit blickte tief in die Tasse. »Eigentlich
sogar ein bißchen eklig. Sie haben aber nicht den Tee aus den Münd …«
    Â»Nein! Wo denken Sie hin? Würden Sie mir so etwas zutrauen?«
    Â»Den nächsten Tee bitte.«
    Bietigheim brummte grimmig. Wenigstens Benno begriff den Ernst der
Lage und blickte ihn treu an.
    Er konnte aber auch einfach nur Hunger haben.
    Â»Der nächste Tee ist ein Oolong.«
    Â»Wie, keine Farbe? Einfach nur Oolong? Oder ist Oolong eine Farbe?
So wie Terrakotta? Oder Beige? Wobei Beige ja eigentlich keine Farbe ist,
sondern eine Sehschwäche.«
    Â»Nein, Herrgott noch mal, Oolong ist keine
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