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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht
Autoren: Helena Brink
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Moment ertrinke ich in Arbeit.«
    »Das war noch nie anders bei dir. Leitest du eigentlich die Ermittlungen im Fall der Leiche, die in der Jauchegrube gefunden wurde?«
    »Ja, natürlich, wer sonst? Alles wird auf meinen Schultern abgeladen … Du, ich hab’s eilig. Ich wollte nur schnell ein paar Sachen mit PM besprechen. Ist er zu Hause?«
    »Wäre er zu Hause, würde er wahrscheinlich schlafen, aber er ist gestern Abend nach Stockholm gefahren.«
    »Er ist in Stockholm? Was tut er da?«
    »Ich weiß nicht genau. Hoffentlich verdient er ein bisschen Geld.«
    »Geht es um eine neue Ausstellung?«
    »Nein, so rosig sieht’s leider nicht aus. Er hätte auch gar nicht genügend Bilder dafür. Ich glaube, es geht eher um alte Geschäfte. Du weißt schon, diese Katastrophe mit Axel Hemberg.«
    »Herrgott, hat er die Sache immer noch nicht aufgegeben?
    Axel ist doch nicht plötzlich wieder aufgetaucht?«
    »Nein, aber Patrik hat Kontakt zu einem Typen aufgenommen, der ihm vielleicht helfen kann, an einen Teil des Geldes ranzukommen. Frag mich nicht, wie. Patrik hat kein Wort verraten, ehe er losfuhr. Vermutlich will er nicht, dass ich mir allzu große Hoffnungen mache. Jedenfalls kommt er morgen nach Hause. Er will heute Abend den Nachtzug nehmen.«
    »Dann wird er also morgen früh da sein? Du arbeitest doch sicher, oder?«
    »Ja, er bleibt einfach in der Stadt, bis ich fertig bin. Dann fahren wir gemeinsam nach Hause.«
    »Das passt doch ausgezeichnet. Sag ihm bitte, dass er bei mir auf dem Präsidium vorbeischauen soll. Ich muss etwas 35

    Wichtiges mit ihm besprechen. So um elf herum wäre am besten.«
    Katharina hätte ihn gern gefragt, um was es ging, aber sein geschäftiger Ton hielt sie davon ab.
    »Ich werde es ihm sagen. Und du kommst uns bald besuchen, versprochen?«
    »Versprochen.«
    Mit einem mulmigen Gefühl nahm sie den Staubsauger wieder in Betrieb.
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    5
    Mittwoch, 26. April
    Katharina stapelte gerade liegen gelassene Bücher auf ihrem Rollwagen, als Ulla vorbeikam.
    »Dein Mann sitzt im Zeitschriftenraum und schläft«, sagte sie.
    Katharina lachte. »Ich weiß. Er ist mit dem Nachtzug aus Stockholm gekommen und fährt nachher mit mir nach Hause.
    Ich werde ihn gleich wecken.«
    »Ach, lass doch. Er sieht so friedlich aus und verbreitet eine so ruhige Atmosphäre. Er ist sicher todmüde, wenn er die ganze Nacht im Zug gesessen hat.«
    »Ich muss aber. Er hat um elf eine Verabredung. Ich habe versprochen, ihn zu wecken.«
    Die Neugier leuchtete aus Ullas Augen, und Katharina ahnte, dass ihre Kollegin fieberhaft nach einem Vorwand suchte, um sie unauffällig auszuhorchen. Doch Ulla fiel nichts anderes ein als:
    »Aha, er war in Stockholm?«
    »Ja«, entgegnete Katharina kurz angebunden und konzentrierte sich auf die Bücher.
    Ulla gab auf und ging weiter, während Katharina die Bücher in die Regale einsortierte. Sie war bedrückt. Vermutlich hatte Patrik in Stockholm kein Glück gehabt. Unmittelbar nachdem die Bibliothek geöffnet hatte, war er mit diesem gehetzten Blick, den sie nicht ausstehen konnte, zur Tür hereingestürmt. Als sie ihn fragte, wie es gelaufen sei, hatte er nur mit den Schultern gezuckt, und als sie von Roffe erzählte, hatte er verärgert das Gesicht verzogen. Sie fragte sich, was Roffe von ihm wollte. Er hatte sich am Telefon ziemlich reserviert angehört.
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    Die Mutlosigkeit, die Patrik am Morgen ausgestrahlt hatte, kannte sie sehr genau. Würde das ganze Elend wieder von vorn beginnen? Dabei hatte sie so sehr gehofft, dass diese leidige Geschichte für immer der Vergangenheit angehörte.
    Das Geld an sich war nicht das Hauptproblem. Patrik war in dieser Hinsicht relativ gleichgültig. Bis zu einem gewissen Grad akzeptierte er dessen Notwendigkeit, machte aber kein Aufhebens darum. Es ging ihm auch nicht darum, seine Fähigkeiten dadurch unter Beweis zu stellen, dass er besser verdiente als sie – im Gegenteil. Wurde er von jemandem gefragt, wie man vom Malen existieren könne, pflegte er mit provozierender Beiläufigkeit zu antworten, man müsse sich nur die richtige Frau aussuchen, die einen über Wasser halte.
    Was ihm vor allem zu schaffen machte, war die bittere Tatsache, dass ein unverfrorener Betrüger die Früchte zweijähriger harter Arbeit dreist an sich gerissen hatte. Patrik hätte den Verlust wahrscheinlich besser verkraftet, hätte er sich einreden können, das unschuldige Opfer widriger Umstände geworden zu sein. Aber so einfach war es nicht. Er hatte den
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