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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Lukas
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emporhetzte.
    Messingbeschläge glänzten an den lackierten Wohnungstüren aus golden gemasertem Tropenholz. Ihre Schritte hallten so laut, dass jedermann hören musste, wie sie vorbeirannten. Gadreel hielt sich nicht mit der Klingel oder dem Türknauf auf. Jean sah, wie die Tür von selbst vor dem Dämon aufsprang. Mit einem Knall landete sie an der Wand, als er hindurchstürmte.
    »Was …« Eine adrett frisierte und geschminkte Frau um die fünfzig steckte den Kopf aus einer der Türen entlang des Flurs und riss erschreckt die Augen auf. »Julien!«
    Sie wird die Polizei alarmieren, dachte er und blickte sich sofort nach dem Telefon um, doch ihr Kreischen lenkte ihn ab. Eine unsichtbare Hand stieß sie ins Zimmer zurück, noch bevor Gadreel sie erreicht hatte. Die Tür schlug zu, das Schloss verriegelte sich hörbar, als Jean vorüberlief.
    »Hilfe! Julien!«, schrie Madame Caradec dahinter und trommelte gegen die Tür.
    Ihr Mann erwartete sie in einem Kaminzimmer, halb Salon, halb Bibliothek. Im ersten Moment sah Jean nichts als die Mündung des schwarzen Revolvers, die auf sie gerichtet war, und wich hastig hinter den Türrahmen zurück.
    »Raus aus meiner Wohnung!«, befahl Caradec kalt. »Eine falsche Bewegung, und ich knall euch Ratten ab!«
    Er hält uns für Diebe! »Wo ist das Mädchen, Caradec?«, rief er, als die Sicherung der Waffe klickte. Unwillkürlich duckte er sich. Doch anstelle des Knalls ertönten weiteres, fast schon prasselndes Klicken und ein geraunter Fluch. Vorsichtig spähte er um die Ecke, an dem gefallenen Engel vorbei, der ungerührt in der Tür stand. Ungläubig starrte Caradec zwischen den Patronen zu seinen Füßen und Gadreel hin und her. Der nutzlose Revolver hing mit geöffnetem Magazin in seiner Hand wie angewachsen.
    »Welchem Herrn dienst du?«, fragte der Dämon.
    Caradec straffte sich. Volles silbergraues Haar und ein gepflegter Schnurrbart gaben ihm den Anstrich eines kultivierten Mannes, doch in seinem Blick lagen Hochmut und Verachtung. »Ich pflege der Herr zu sein, nicht der Diener.«
    »Er ist ein Paktierer«, erklärte Jean, um das Verhör abzukürzen.
    Gadreel warf ihm einen herablassenden Blick zu. »Das rieche ich schon, seit wir das verfluchte Haus betreten haben. Hör zu, alter Mann!«, wandte er sich wieder an Caradec. »Es interessiert mich nicht, ob du dich für Gott oder den Satan hältst. Ich will das Mädchen zurück. Wo ist es?«
    »Fahr zurück in die Hölle, Dämon!« Caradec zeigte auf den gefallenen Engel und begann, beschwörend zu murmeln.
    »Das reicht«, knurrte Jean. Er drängte an Gadreel vorbei, um sich auf Caradec zu stürzen, und prallte zurück, als vor ihm ein Buch durch die Luft sauste. Noch bevor es den Paktierer an der Schulter traf, flogen weitere heran, schossen zu beiden Seiten aus den Regalen wie Trommelfeuer auf dem Schlachtfeld. Einen Augenblick lang stand Caradec wie erstarrt, nur seine Lippen bewegten sich weiter. Dann zuckte er immer heftiger unter den Geschossen zusammen, schlug abwehrend um sich, schwankte. Blätter flatterten, Bücher fielen klatschend zu Boden. Mit einem Mal Stille. Die Regale waren leer. Der taumelnde Paktierer stolperte über die Bücher zu seinen Füßen und fiel. Bevor er sich aufrappeln konnte, war der Dämon über ihm, packte ihn am Kragen.
    »Sag mir, was ich wissen will!«
    Der Stolz war aus Caradecs Augen gewichen. Unverhohlene Furcht sprach nun aus den geweiteten Pupillen. »Damit … würde ich den Pakt verletzen.« Sein Blick wurde flehend.
    Jean verstand. Zeit, deine Schulden zu bezahlen, Schweinehund. »Ich geh die Tür zumachen, damit die Nachbarn die Schreie nicht hören«, meinte er und wandte sich ab. Hinter sich hörte er Caradec aufkeuchen.
    »Nein, bitte, wenn ich etwas sage, bringt er mich um!«
    »Dann stirb schweigend«, schlug Gadreel vor. »Sterben wirst du so oder so.«
    Jean hielt inne, sobald Caradec ihn nicht mehr sehen konnte. Er hatte nicht vor, sich so weit zu entfernen, dass ihm ein Wort entgehen konnte. Im Hausflur schien alles ruhig, doch er konnte nicht sicher sein, dass noch niemand die Gendarmerie verständigt hatte. Sie mussten sich beeilen. Madame Caradec scharrte schluchzend an der verschlossenen Tür. Als Caradec aufschrie, zuckte er zusammen. Die zuvor so beherrschte Stimme zitterte.
    »Kafziel hat sie. Sie soll heute geopfert werden.«
    Jean stürmte ins Zimmer zurück. »Geopfert?« Er hatte vieles erwartet, auch dass Caradec seinem Dämon Menschenleben
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