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Der kurze Sommer der Anarchie

Der kurze Sommer der Anarchie

Titel: Der kurze Sommer der Anarchie
Autoren: Unbekannter Autor
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Ecke seines Zimmers zu kommen, und holte aus einer Kommode ein altes Buch. Es war eine vergilbte Ausgabe der Werke Korolenkos. In das Buch hatte er einige Zeitungsausschnitte gelegt: ein Bild Durrutis, das in der Pravda erschienen war, und eine Reportage mit dessen Biographie. »Warum hebst du dir das auf?« fragten wir ihn. »Weil ich Zutrauen zu dem da hatte, denn er hat es ernst gemeint. Er war keiner von den Betrügern, die die Arbeiterklasse hereinlegen.«
Er blätterte weiter in seinem Buch und fand noch einen andern Zeitungsausschnitt. Das Papier war noch älter. Wir erkannten auf dem groben Foto den alten Anarchistenführer Nestor Machno. Der Arbeiter erzählte uns von Machnos Taten zur Zeit der russischen Revolution und erklärte uns sein Ende. »Machno war einer der größten russischen Revolutionäre«, sagte er, »und heute wollen sie uns weismachen, daß er nur ein Bandit war. Paßt auf, daß sie jetzt, wo er tot ist, nicht auch über Durruti herfallen.«
Das haben wir ihm versprochen.
    Anonymus 3

    Heute gibt es eine ganze Reihe von Leuten, auch aus dem Bürgertum, sogar aus den Reihen der katholischen Kirche, die nähmen Durruti jetzt, wo er tot ist, liebend gern als verlorenen Sohn auf. Plötzlich entdecken sie gute Seiten an ihm und möchten ihn für ihre Zwecke einspannen. Einen roten Christus möchten sie aus ihm machen, die spanischen Pfarrer. Als er noch lebte, da haben sie auf ihn geschossen. Sie hatten sich in allen Kirchen von Barcelona verschanzt. Das waren die reinsten Festungen, und sie haben auf uns geschossen, auf alles, was sich bewegte. Und die Bourgeoisie hat ein Gezeter angeschlagen: die Anarchisten zünden die Kirchen an! Dabei haben wir uns nur unserer Haut gewehrt. Und dieselben Leute, die ihn seiner Lebtage wie einen Verbrecher gejagt haben, kommen jetzt daher und möchten einen Heiligen aus ihm machen!
    Emilienne Morin

    Ich sehe seinen Heroismus nicht so sehr in dem, was in den Zeitungen gestanden hat, sondern vor allem in seinem täglichen Leben. Das wissen natürlich nur die wenigsten, das wissen nur die, die ihn vom Cafe an der Ecke, von zu Hause oder vom Gefängnis her kennen.
Durch Durrutis Hände sind Millionen gegangen, und doch habe ich ihn die Brandsohlen seiner Schuhe zusammenflicken sehen, weil er kein Geld hatte, um sie zum Schuster zu geben. Manchmal hatte er nicht einmal das nötige Kleingeld, um sich einen Kaffee zu bestellen, wenn wir uns in einer Bar trafen. Wenn man zu ihm kam, hatte er oft eine Schürze um, weil er gerade beim Kartoffelschälen war. Seine Frau arbeitete. Es machte ihm nichts aus; er kannte keinen Männlichkeitswahn und fühlte sich durch die Hausarbeit nicht in seinem Stolz verletzt.
Am andern Tag nahm er die Pistole und ging auf die Straße, um es mit einer Welt der sozialen Repression aufzunehmen. Er tat es mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der er am Abend zuvor die Windeln seiner kleinen Tochter Colette gewechselt hatte.
    Francisco Pellicer

    Manche Leute sagen, wenn Durruti nicht gestorben wäre, dann hätten wir den Krieg gewonnen. Das ist ein großer Irrtum. Unser Krieg war nicht ein Krieg zwischen einer Partei und der andern, er war ein internationaler Konflikt, und die spanischen Militärs hätten sich nicht erhoben, sie hätten überhaupt nie eine Chance gehabt, wenn sie nicht gewußt hätten, daß der internationale Faschismus ihnen helfen würde, die Italiener und die Deutschen.
    Ricardo Sanz 1

    Wir sahen in ihm keinen Heros, keinen Messias; wir brauchen keinen Führer und keinen Caudillo. So etwas gibt es unter Anarchisten nicht.
Durrutis Rolle ist nicht mit irgendeinem Heldenkult zu erklären. Er zeigte einfach eine gewisse Würde und einen gewissen Mut, ohne den man nicht leben kann. In unseren Tagen hat Che Guevara eine ganz ähnliche Rolle gespielt. Durruti war kein Theoretiker, keiner von denen, die am Schreibtisch sitzen, während die anderen kämpfen. Er war ein Mann der Tat, er ist auf die Straße gegangen und hat gekämpft, und er war immer dort zu finden, wo die Gefahr am größten war.
    Federica Montseny 1

    Eines habe ich gleich verstanden: Durruti war ein geborener Anarchist. Man merkte ihm an, daß er aus der Provinz kam, er hatte etwas Ländliches an sich. Er grübelte oft, dachte sich sein Teil. Freilich, ein Intellektueller war er nicht, und eine gewisse theoretische Bildung hat er sich erst später erworben, in Barcelona.
Er stammte aus Leon, aus dem kastilischen Hochland, und er hatte etwas von der
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