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Der Kranich (German Edition)

Der Kranich (German Edition)

Titel: Der Kranich (German Edition)
Autoren: Manuela Reizel
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längere Pause entstand, in der sich Eva mit ihrem Kaffee und Martin Beier mit seinem Toast beschäftigte. Schließlich brach er das Schweigen.
    „Und Kalle, ist er … ich meine, behandelt er dich gut?“
    Eva sah ihrem Vater in die Augen und versuchte, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. „Ja, Papa. Das tut er.“

27
    „Eine Kostenfrage?“ Wieder war Martin Beier versucht, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen, doch im letzten Augenblick überlegte er es sich anders. Es war zwecklos. Stattdessen vergrub er resigniert das Gesicht in den Händen. „Eine Kostenfrage. Hätte ich mir ja denken können.“
    Henk van Buyten nahm auf der Tischkante Platz und blickte den Kollegen mitleidig an, während der alte Schreibtisch unter seinem beträchtlichen Gewicht ächzte. „Die Taucher können nicht alle Seen bis auf den letzten Meter durchsuchen. Das Eis ist weg, sie haben soweit alles abgegrast. Es ist unwahrscheinlich, dass man noch was finden würde.“
    Martin Beier blickte auf und lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück. Da sich das Ziehen in seinem Magen seit dem frühen Morgen kontinuierlich verschlimmert hatte, schluckte er rasch eine Tablette. „Die Entscheidung ist endgültig?“
    Henk van Buyten nickte.
    „Also wird der Fall zu den Akten gelegt?“
    „Es sei denn, du kannst dem Russen einen Mord nachweisen.“
    „Ich habe alles versucht, Henk. Aber um diesen Prick zum Reden zu bringen, müssten wir schon die Folter einführen – und ich bezweifle, dass wir selbst dann Erfolg haben würden. Der ist hart wie Granit. Bis jetzt kann ich ihm nicht einmal die Lamprecht-Sache nachweisen. Und das weiß er auch ganz genau. Sein Anwalt hat ihn in spätestens fünf Jahren wieder draußen. Er lacht uns aus.“
    „Keine DNA-Spuren?“
    „Keine Chance. Was das Wasser nicht weggespült hat, haben die Sanis geschafft.“
    „Aber du hast einen Augenzeugen.“
    „Der nicht mit uns spricht. Kann sich plötzlich an nichts mehr erinnern. Für den sind wir die Gegner, außerdem hat er Angst. Weißt du was? Ich kann ihn verdammt gut verstehen.“
    „Immerhin haben wir Smirnow.“
    „Ja, aber was nutzt uns das? Er ist nur ein kleiner Fisch. Der Mann fürs Grobe. Ich will wissen, wer die Auftraggeber sind, und über die wissen wir nach wie vor nichts.“
    Henk van Buyten runzelte die Stirn und kratzte sich am Kopf. „Was denkst du, Martin?“
    Martin Beier nickte bedeutungsvoll. „Das werde ich dir sagen. Ich denke, dass wir in den nächsten Jahren noch einen erheblichen Umdenkprozess vor uns haben. Wir werden lernen müssen, dass wir uns nicht mehr in einem schwarz-weißen, sondern in einem grauen Umfeld bewegen. Wir werden lernen müssen, in völlig neuen Kategorien zu denken. Der Gegner ist nicht mehr der, der er war, sondern wir stehen einer völlig veränderten Struktur von Kriminalität gegenüber.“
    „Aha. Kannst du das so formulieren, dass es ein normaler Sterblicher auch versteht?“
    „Das, was wir ‚organisierte Kriminalität‘ nennen, hat sich längst in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt.“
    Als er das Klappen der Eingangstür hörte, stand Gustav Elvert von seinem Schreibtisch auf, öffnete die Tür des Sprechzimmers und schaltete das Flurlicht ein. Obwohl er vorbereitet war, erschrak er beim Anblick des schmalen Mannes, der sich ihm mühsam auf seinen Krücken näherte. Sein rechtes Bein war vom Fuß bis zum Oberschenkel eingegipst, der linke Unterarm verbunden, das Gesicht angeschwollen und an mehreren Stellen blaurot verfärbt.
    Elvert half seinem Gast vorsichtig aus dem Mantel. Dann führte er ihn zu einem der Sessel und bot ihm einen Kaffee an, den Thomas Lamprecht auch annahm. Als beide sich gesetzt und einen Schluck getrunken hatten, entstand zunächst eine Pause. Gustav Elvert gab seinem Gegenüber ausreichend Zeit, innerlich anzukommen, betrachtete den Kranich auf dem Tisch zwischen ihnen und suchte nach den richtigen Worten. Es gab Situationen, die keine Banalitäten ertrugen.
    Thomas Lamprecht folgte seinem Blick. „Das ist hübsch. Origami, nicht wahr? Machen Sie so etwas?“
    „Nein. Das ist … ein Geschenk. Von einem Klienten.“
    „Was stellt es dar?“
    „Es ist ein Kranich. Er bedeutet Frieden.“ Gustav Elvert spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen, und wechselte rasch das Thema. „Ich möchte Ihnen sagen, Herr Lamprecht, dass mir sehr nahegegangen ist, was Ihnen passiert ist. Wie geht es Ihnen inzwischen gesundheitlich?“
    „Das Bein macht
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