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Der kommende Aufstand

Der kommende Aufstand

Titel: Der kommende Aufstand
Autoren: Unsichtbares Komitee
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eine fast vollkommene
     Zurückeroberung des Territoriums erreicht – indem sie die
     Polizeiwachen, die Gerichte und alle Einrichtungen des Staates
     angriffen und den Aufruhr verallgemeinerten –, bis hin zum
     einseitigen Rückzug der Ordnungskräfte, bis hin zur physischen
     Verhinderung der Wahlen. Die Stärke der Bewegung lag wohl in der
     diffusen Komplementarität ihrer vielfältigen Komponenten – die
     in den endlosen und hoffnungslos männlichen Versammlungen der
     Dorfkomitees und anderen Volkskomitees nur sehr partiell
     vertreten waren. Die »Kommunen« des immer noch bebenden
     algerischen Aufstandes haben mal das Gesicht dieser jugendlichen
     »Durchgeknallten« mit Schirmmütze, die in Tizi Ouzou von einem
     Hausdach aus Gasflaschen auf die CNS (CRS) schmeißen, mal das
     spöttische Lächeln eines in seinen Burnus gehüllten alten
     Widerstandskämpfers, mal auch die Energie der Frauen eines
     Bergdorfes, die allem und jedem zum Trotz traditionelle Gemüse-
     und Viehwirtschaft betreiben, ohne die die Blockaden der
     regionalen Ökonomie niemals so häufig und so systematisch hätten
     gemacht werden können.
     
    Aus jeder Krise ein Feuer entzünden
     
    »Man muss außerdem hinzufügen, dass man
     nicht die gesamte französische Bevölkerung behandeln könnte. Man
     wirdalso eine Auswahl treffen müssen.« So
     fasst ein Experte der Virologie am 7. September 2005 in der
     Zeitung Le Monde zusammen, was im Falle einer
     Vogelgrippenpandemie geschehen würde. »Terrordrohungen«,
     »natürliche Katastrophen«, »Virenalarm«, »soziale Bewegungen«
     und »urbane Gewalt«, all das sind für die Verwalter der
     Gesellschaft Momente der Instabilität, in denen sie sich ihre
     Macht verschaffen durch die Selektion dessen, was ihnen gefällig
     ist, und die Vernichtung dessen, was ihnen lästig ist. Es ist
     also auch, logischerweise, für jede andere Kraft die
     Gelegenheit, sich zu vereinigen oder zu verstärken, indem sie
     die entgegengesetzte Position ergreift. Die Unterbrechung der
     Warenflüsse, die Aufhebung der Normalität – es reicht zu sehen,
     wie soziales Leben in ein Mietshaus zurückkehrt, das plötzlich
     keinen Strom mehr hat, um sich vorstellen zu können, wie das
     Leben in einer Stadt werden könnte, die gar nichts mehr hat –
     und der polizeilichen Kontrolle setzen Möglichkeiten der
     Selbstorganisation frei, die unter anderen Umständen undenkbar
     wären. Das entgeht niemandem. Die revolutionäre
     Arbeiterbewegung, die aus den Krisen der bürgerlichen Ökonomie
     die Haltepunkte ihrer zunehmenden Stärke gemacht hat, hatte es
     wohl verstanden. Heute sind die islamistischen Parteien niemals
     so stark wie da, wo sie fähig waren, die Schwäche des Staates
     klug zu ersetzen, zum Beispiel während der Bereitstellung der
     Hilfsmaßnahmen nach dem Erdbeben von Boumerdès in Algerien oder
     auch in der alltäglichen Unterstützung der Bevölkerung des von
     der israelischen Armee zerstörten Süd-Libanon.
    Wie wir weiter oben erwähnten, hat die durch den Hurrikan
     Katrina verursachte Verwüstung New Orleans’ einer ganzen
     Fraktion der nordamerikanischen anarchistischen Bewegung die
     Gelegenheit gegeben, eine neuartige Beschaffenheit zu erlangen,
     indem sie all diejenigen vereint,die vor Ort
     gegen die Zwangsumsiedlung Widerstand leisten. Die
     Straßenkantinen setzen voraus, an die Lebensmittelversorgung
     gedacht zu haben; die medizinische Nothilfe erfordert, dass man
     das notwendige Wissen und Material gesammelt hat, genauso wie
     das Installieren freier Radios. Was sie an Freude enthalten, an
     Überwindung des individuellen Durchkommens, an greifbarer
     Wirklichkeit, die dem Alltag der Ordnung und der Arbeit nicht
     unterworfen ist, garantiert die politische Fruchtbarkeit solcher
     Erfahrungen.
    In einem Land wie Frankreich, wo die radioaktiven Wolken an
     der Grenze Halt machen und man nicht davor zurückschreckt, ein
     Krebsforschungszentrum auf dem ehemaligen Betriebsgelände der
     AZF-Fabrik 23 zu
     erbauen, das wie Seveso eingestuft wurde, muss man weniger auf
     die »natürlichen« Krisen als auf die sozialen Krisen
     zählen. Vorwiegend kommt es hier den sozialen Bewegungen zu, den
     normalen Lauf des Desasters zu unterbrechen. Gewiss, in den
     vergangenen Jahren waren die unterschiedlichen Streiks
     hauptsächlich Gelegenheiten für die Macht und die
     Unternehmensführungen, ihre Fähigkeiten zu testen, einen immer
     breiteren »minimalen Service«
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