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Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)

Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)

Titel: Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
Autoren: Alexander Weiss
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diesem Tag gefühlt: berührt, beschützt, geliebt von dem Mann, der ihr alles bedeutete. Sie hatte um die Aufklärung des Mordanschlags gekämpft und verloren, sie hatte um ihre Liebe gekämpft und spürte, dass sie auch diesen Kampf verlieren würde.
    Der Flur des luxuriösen Pflegeheims, das Julians Eltern finanzierten, war dunkel und leer. Im Schwesternzimmer brannte eine kleine Lampe neben der Kaffeemaschine. Schwester Renate war offenbar auf einer anderen Station unterwegs. Lia schrieb ihr eine kurze Notiz, dass sie jetzt weg sei.
    Die kalte Nachtluft schmerzte beim Einatmen. Wie kann eine Welt so leer sein, dachte sie, als sie über das endlose Weiß des Parks blickte. Der Schnee knirschte unter ihren schweren Polizeistiefeln, und als sie den Schlüssel mit klammen Fingern aus der Jeanstasche zog, flatterte der letzte Zettel von Julian lautlos zu Boden.
    Lia zögerte einen Moment.
    „Sie müssen lernen loszulassen“, hatte ihr der Polizeipsychologe dringend geraten. „Es ist auch für ihn besser, entlassen Sie Julian in seine Welt.“
    Ihre Knie knackten, als sie in die Hocke ging, um den Zettel aufzuheben. Es war das Einzige, was Julian manchmal tat: Zettel mit Kreisen, Kästchen oder Linien versehen. Sie war noch nicht bereit, die Zettel einfach liegen zu lassen, aber sie hatte aufgegeben, in ihnen eine Kommunikationsform zu finden.
    Als Lia die Südbrücke erreichte, war ihre Haut spröde von den lautlos geweinten Tränen. Sie galt als Optimistin, willensstark und mutig, aber in letzter Zeit verselbständigte sich manchmal die Idee in ihrem Kopf, sich in den Rhein zu stürzen. In Nächten wie diesen wurde die Sehnsucht jedes Mal ein winziges bisschen stärker. Sich einfach in das eiskalte Wasser sinken lassen, wie in ein frisch gemachtes Bett, und willenlos von einem Strudel in die Tiefe gezogen werden, um ewig zu schlafen. Nie wieder aufzuwachen, hieße auch, nie wieder denken zu müssen: Er kommt nicht zurück.
    Ihr Bordcomputer meldete sich, dann erschien „Schüttler ruft an“ auf dem Display. Als Julian noch Julian war, hatte sie ihre Bereitschaftstage mehr und mehr gehasst. Jetzt übernahm sie jeden Dienst bereitwillig, denn die Arbeit rettete sie auch.
    Sie drückte auf den Knopf: „Ja?“
    „Wo steckst du?“
    „Südbrücke.“
    „Gutes Timing. Wir haben eine Leiche an der Kniebrücke, linksrheinisch.“
    „Bin unterwegs. Schon jemand da?“
    „Fred und die Gerichtsmedizin in Gestalt von Bauer und wer sonst noch so alles an einen gedeckten Tisch gehört. Wir treffen uns da.“
    Es klickte.
    Lia hielt einen Moment auf der Rheinkniebrücke und blickte zu der unwirklichen Szene hinunter. Das Ufer war bis zur Oberkasseler Brücke hell erleuchtet. Riesige Scheinwerfer verwandelten mit ihrem grellen Licht die zugeschneite Wiese am Fluss in eine Mondlandschaft. Auf der Straße standen mehrere Polizeiwagen hintereinander. Vermummte Gestalten rannten am Ufer umher und beugten sich dabei nach vorn, als könnten sie sich damit vor der Kälte schützen. In regelmäßigen Abständen stießen sie kleine Atemwölkchen aus.
    Gegenüber, auf der anderen Rheinseite, lag die Altstadt, ihr Kinderspielplatz und Zuhause bis heute, links durch die Oberkasseler, rechts durch die Rheinkniebrücke umrahmt. Beide Brücken waren gesperrt, was um vier Uhr morgens noch nicht für Verkehrschaos sorgte, sondern für Grabesstille rund um den Fundort.
    Vorsichtig glitt sie durch die vereiste Kurve hinunter zur Rheinuferstraße, parkte hinter den anderen Autos, zeigte mechanisch ihren Ausweis und passierte die Absperrung. Ein Kollege aus dem Streifendienst reichte Lia Gummistiefel, die sie mit auf die Wiese nahm und dort einfach fallen ließ, denn irgendwas an diesem Tatort war völlig anders und irritierte sie. Der Gerichtsmediziner kam ihr entgegen und sagte: „Das Kerlchen liegt da schon ′ne Weile, er ist übers Wasser gekommen, kein Selbstmord.“
    „Woher weißt du das so schnell?“
    Bauer grinste. „Der Narbe nach wurde der Mann explantiert, Selbstmord war da nicht mehr nötig.“ Er stelzte zurück Richtung Leiche.
    „Ich bin der Praktikant, kann ich was tun?“, hörte Lia hinter sich und seufzte. Den hatte sie total vergessen.
    „Wer hat dich denn geweckt? Dein Praktikum beginnt doch erst um acht.“
    „Der Herr Schüttler.“
    „Ah ja, na dann. Du hast ja schon die richtigen Stiefel an, geh nach vorn zu Bauer, das ist der Dünne da am Wasser. Ich kann dich im Moment nicht brauchen.“ Es klang barscher
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