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Der König von Havanna

Der König von Havanna

Titel: Der König von Havanna
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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sich Hände, Arme, Brust. Alles war besudelt von dem geronnenen Blut. Sogar das Haar war davon verklebt. Er kratzte sich mit dem kleinen Messer. Vorsichtig. Trocken schabte er die ganze Kruste ab. Er durchsuchte Magdas Blusentaschen. Nichts, aber dann fand er eine Plastiktüte, die er in der Dunkelheit gar nicht gesehen hatte. Darin waren dreißig Pesos, zwei Brote, Zigaretten, ein sauberes Hemd. Er aß die Brote, probierte das Hemd an. Es passte ihm. Das Geld und die Zigaretten steckte er ein. Dann ging er hinaus. Er befestigte ein Stück Weißblech an der Tür, schön unterkeilt von einem Eisenstück, und entfernte sich dann Richtung Landstraße. Es war unwahrscheinlich, dass jemand dieses Häuschen fand inmitten von Gestrüpp und rostigem Schrott. Sobald man sich ein paar Schritte entfernte, war davon nichts mehr zu sehen, gut getarnt unter all der Sauerei. Auf den Stock gestützt, setzte er mit dem Hinkebein seinen Weg fort. Er fühlte sich gut, frei, unabhängig, ruhig.
    Sogar fröhlich. Fast euphorisch. Er ging bis Regla, durchquerte das ganze Dorf, kam zur Mole. Er kaufte eine Flasche Rum und setzte sich ans Meer, auf die Stufen, die ihm so gefielen. Ihm gegenüber lag ein Stück Sand, verschmutzt von Öl und Abfällen aller Art. Hinter seinem Rücken die Kirche. Vorne die Bucht mit einigen wenigen vor Anker liegenden Schiffen. Weiter hinten Havanna, herrlich, schön, verführerisch. Zu seiner Linken fuhr alle fünfzehn, zwanzig Minuten die mit Passagieren voll beladene Fähre ein. Die Sonne brannte heiß, aber es herrschte auch Stille und Einsamkeit. Ein paar Kinder planschten am Ufer, liefen in das von Öl, Kot und Abwässern verschmutzte Wasser. Das war eine gute Idee. Auch er nahm seine ganze Kraft zusammen, ging ins Wasser und rieb sich ein wenig ab. Er wusch die noch verbliebenen Blutkrusten fort. Dann ging er wieder an Land, setzte sich gemütlich auf die Stufen und trank Rum, betrachtete die Landschaft und dachte an nichts.
    Er trank die Flasche aus, warf sie ins Meer. Er war breit wie eine Natter. Ihm fiel ein, dass er Magda beerdigen oder ins Meer werfen sollte. »Irgendwas muss ich tun, denn wenn die Aasgeier sie finden … Scheiße, die Aasgeier! Bestimmt umkreisen sie Magda schon, um sie dann zu vertilgen.«
    Betrunken, humpelnd, stolpernd, gehetzt kehrte er zu seinem Häuschen zurück. Er dachte: »Die Aasgeier dürfen Magda nicht zu Mittag essen. Auf keinen Fall! Das kann ich nicht zulassen! Die Leiche der Verstorbenen hat Respekt verdient … selbstverständlich … man muss die Leiche dieser Nutte respektieren … hahaha.«
    Als er hinkam, war es schon dunkel. Er war immer noch sehr betrunken, konnte in der Dunkelheit nichts sehen. Er nahm die Weißblechplatte aus der Tür, und wie ein Schlag traf ihn die Hitze, und Verwesungsgeruch stieg ihm in die Nase. In seinem Rausch sprach er zärtlich zu ihr: »Genauso sollst du sein. Ganz ruhig, ohne dich zu bewegen, still, mit Respekt vor deinem Mann. All das ist passiert, weil du immer das letzte Wort haben musstest. Wärst du nicht so frech gewesen, wäre dir auch nichts geschehen. Siehst du? Da hast du dich selbst reingeritten. Du musst Respekt lernen, Magda … na ja, nicht mehr … jetzt brauchst du nichts mehr lernen … da hast du selbst Schuld, Magda, selbst Schuld.«
    Er warf sich auf seinen Strohsack und war im Nu eingeschlafen. Am nächsten Tag stank die Tote noch mehr. Die Sonne schien, und im Innern des Häuschens beschleunigten Hitze und Feuchtigkeit die Verwesung der Leiche. Rey erwachte, sah sie eine ganze Weile an. Er dachte an nichts. Der Kopf und der ganze Körper taten ihm weh nach dem Suff. Am liebsten hätte er sich zum Teufel geschert und Magda dort liegen lassen. Für die Aasgeier.
    »Was mache ich bloß mit dir, du dreckige Schlampe? Dreiste Scheißnutte. Wohin soll ich mit dir? Du hast wirklich verdient, dass die Aasgeier dich auffressen.« Er stand auf und spazierte zwischen Gestrüpp und rostigem Schrott hindurch, erstieg eine kleine Anhöhe. Von dort sah man die Müllhalde, hundert Meter entfernt. Da waren Leute. Ein Bulldozer wälzte sich über den Müll und häufte ihn an. Ein paar Müllwagen entluden. Zehn, zwölf Typen tauchten in die Schweinerei und durchsuchten sie. »Hmmm, genau dort. Da werde ich dich heute Abend beerdigen, Magdalenita«, dachte er. Im Gebüsch versteckt, suchte er nach einem geeigneten Platz. Er musste abseits liegen und sicher sein. So schnell durfte man sie nicht finden. Niemand. Weder die Hunde
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