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Der kleine Nadomir

Der kleine Nadomir

Titel: Der kleine Nadomir
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unbewegtem Gesicht im Sattel; den Körper hatte er leicht vorgebeugt und die Beine angewinkelt.
    Seit sie im Morgengrauen aufgebrochen waren, war ihnen keine Menschenseele begegnet. Das Vorgebirge war unbewohnt. Zu beiden Seiten des schmalen Tales erstreckten sich undurchdringliche Wälder und verschneite Wiesen. Das einzige Lebewesen, das sie gesehen hatten, war ein Schneehase gewesen, der sie neugierig beäugt hatte und dann davongehoppelt war.
    Sadagar blickte wieder besorgt zu Nottr. Der Barbar war körperlich von Graf Corians Folter weitestgehend genesen, aber sein Geist hatte Schaden erlitten. Meist starrte er nur teilnahmslos vor sich hin, und es schien, als würde er seine Umgebung nicht wahrnehmen. Auf Fragen antwortete er nicht, auch sonst sprach er kaum ein Wort. Er war wie ein geistig zurückgebliebenes Kind, dem man alles sagen musste. Schon vor der Folter hatte er mit seiner quer über den Mund verlaufenden Narbe und dem abgeschlagenen Ohr alles andere als hübsch ausgesehen. Jetzt wies sein Gesicht noch zusätzlich Brandnarben auf Stirn und Wangen auf.
    »Wir müssen uns ein Lager für die Nacht suchen, Nottr«, sagte Sadagar.
    Der Lorvaner antwortete nicht. Sein zerfurchtes Gesicht mit den dunklen Augen und der plattgedrückten Nase blieb unbewegt.
    Sadagar seufzte und sah sich aufmerksam um. Die Berge sahen im düsteren Abendlicht noch bedrohlicher aus. Es schneite leicht. Das Land wirkte bedrückend auf Sadagar, und wie schon oft an diesem Tag überlegte er, ob sein Entschluss, den Weg nach Süden durch dieses unwegsame Gebiet zu nehmen, wohl richtig gewesen sei.
    Er dachte an Mythor und fragte sich, wo der junge Krieger wohl im Augenblick stecken mochte. Zuletzt hatte er ihn in der Höhle in der Nähe der Burg Anbur gesehen, als sich Mythor von Nottr und ihm verabschiedete. In zwei Tagen zur Wintersonnenwende würde es zur alles entscheidenden Schlacht mit den Caer kommen. Er sollte Mythor anschließend beim Koloss von Tillorn treffen. Und Sadagar war froh, dass Ugalien hinter ihnen lag. Gern dachte er an den Sterndeuter Thonensen zurück, von dem er einiges gelernt hatte. Keine große Magie, aber einfache magische Formeln, die sehr wirksam waren.
    Sein faltiges Gesicht verdüsterte sich, als er an das Kräuterweiblein mit dem zungenbrecherischen Namen Silbabrombambora dachte, die ihm mit ihren geheimnisvollen Wundermitteln bei der Pflege Nottrs geholfen hatte. Ein wenig hatte sie ihn an Fahrna, die Runenkundige, erinnert, mit der er lange Zeit durch die Lande gezogen war. Und die Erinnerung an die Zeit mit Fahrna hatte ihn auch rascher aufbrechen lassen, als er eigentlich gewollt hatte. Er hatte befürchtet, dass ihm das alte Kräuterweiblein einen Liebestrank einflößen könne und er dann für den Rest seiner Tage an diese alte Vettel gefesselt sein werde.
    Sadagar schob die Gedanken an Fahrna und Silbabrombambora weit von sich und starrte wieder einmal Nottr enttäuscht an. Auch die unzähligen Heilkräuter der Alten hatten Nottr nicht aus seiner Teilnahmslosigkeit reißen können. »Hörst du mich, Nottr?«
    Wieder keine Antwort.
    Sadagar zügelte sein Pferd, und Nottr folgte automatisch seinem Beispiel. Sadagar sprang von seinem struppigen Wallach. »Steig ab, Nottr!«
    Der Barbar gehorchte. Er griff nach dem Zügel und folgte Sadagar, der auch das Packpferd führte. Den Pferden schien der anstrengende Ritt nichts ausgemacht zu haben. Es waren genügsame, kräftige Tiere, die mit ein paar Schlucken Wasser und einer Handvoll Hafer auskamen.
    Die vergangene Nacht hatten sie Glück gehabt, denn sie entdeckten ein verlassenes Bauernhaus, in dem sie übernachten konnten. Im Freien wollte Sadagar keineswegs nächtigen, denn er wusste, dass es hier viele Wölfe gab. Eine Höhle wäre wohl am besten. Aufmerksam musterte er die Felswand, an der sie entlanggingen. Der Schneefall wurde etwas stärker.
    Nach ein paar Schritten fand er einen Felsspalt, der aber zu eng für Mensch und Tier war.
    Ein paar Schritte später hatte er endlich Glück: Er entdeckte eine mannshohe Öffnung in der Felswand.
    »Halt die Pferde, Nottr!« sagte er befehlend. Der Barbar gehorchte widerwillig.
    Die Pferde waren unruhig. Sie stampften auf. Anscheinend hatten sie Angst vor der hereinbrechenden Nacht.
    Sadagar trat in die Höhle, die nach wenigen Schritten größer und breiter wurde. Zwanzig Schritte weiter war es so dunkel, dass er nichts mehr erkennen konnte. Mit beiden Händen tastete er sich die Wand entlang.
    Die
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