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Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)

Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)

Titel: Der Kelch von Anavrin: Das magische Siegel (German Edition)
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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betrat.
    Der alte Mann aus dem Dorf blickte ihn ernst an und schüttelte schließlich den Kopf. »Wie ich’s Euch gesagt habe, Mylord. Eine schlimme Sache. Wir können’s kaum glauben, dass jemand Sir Randwulf und den Seinen etwas Böses wollte, so freundlich, wie sie immer waren. Aber wir konnten nichts tun, Herr. Wer auch immer diese Verbrecher waren, sie tauchten in der tiefsten Nacht auf und verschwanden wieder wie Geister. Ich glaube nicht, dass diese armen Seelen überhaupt eine Chance hatten.«
    Kenrick erwiderte nichts darauf, sondern schritt durch den Hof, erneut von dem Verlust der Freunde überwältigt. Als er kurz innehielt und den Blick über das versengte Frühlingsgras und den matschigen Boden schweifen ließ, stach ihm der umgestürzte und zerbrochene Spielzeugwagen eines Kindes ins Auge.
    Ein Bild aus glücklicheren Tagen stieg in seiner Erinnerung auf. Er glaubte, das entzückte Lachen von Rands Sohn zu hören, und sah den Fünfjährigen so deutlich wie damals vor sich, als der Bursche das kleine bemalte Holzwägelchen hinter sich hergezogen hatte. Auch Elspeth war da gewesen, Rands hübsche Gemahlin; sie hatte ihnen zugewinkt – Rand, Kenrick und dem jauchzenden Todd – , als sie an dem sonnendurchfluteten Garten des Herrenhauses vorbeigekommen waren. Da hatte er Rand und dessen Familie zum letzten Mal gesehen. Er war gekommen, um den alten Freund um Hilfe zu bitten; stattdessen hatte er ihnen allen aber nur den Tod gebracht.
    »Bleib hier«, bedeutete Kenrick dem alten Mann, denn er wollte keine weiteren Einzelheiten von dem Leid der Freunde hören. »Ich möchte eine Weile allein sein.«
    »Wie es Euch beliebt, Mylord.«
    Die Abgeschiedenheit würde ihm bei seiner nächsten Aufgabe entgegenkommen, wie er sich eingestand, als er den Dolch aus dem Gürtel zog. An dem ohnehin grauen Himmel hatten sich nun schwere dunkle Wolken zusammengezogen. Nicht mehr lange, und der kühle Sprühregen, der ihm Gesicht und Hände benetzte, würde sich zu einem wahren Wolkenbruch auswachsen – eine willkommene Ausrede, um rasch die Arbeit zu verrichten und sich dann von diesem Ort zurückzuziehen. Schnellen Schrittes verließ Kenrick den Hof und ging seitlich an der Kapelle vorbei.
    Im Schatten der westlichen Burgmauer lag ein kleiner Friedhof. Die Gebeine von Rands Vorfahren – allesamt Diebe, Schurken und Huren, wie Randwulf mit einem durchtriebenen Grinsen zu sagen pflegte – lagen dort begraben, unter Grabmalen aus Granit. Drei frische Erdhügel bezeichneten die Ruhestätten der jüngst bestatteten Familienmitglieder. Die Bediensteten waren in der Nähe des Dorfes beerdigt worden. Mochten Rands Nachbarn den Ort auch meiden, zumindest einer hatte dafür gesorgt, dass die Erschlagenen ihre letzte Ruhe in geweihtem Boden gefunden hatten. Als er wieder an den furchtbaren Vorfall erinnert wurde und sich vor Augen führte, wer dort unter den feuchten Erdhügeln begraben lag, kämpfte Kenrick schwer gegen die Trauer und den Schmerz an.
    Ehrfürchtig betrat er die eingefriedete Ruhestätte und richtete den Blick auf eine Stelle, die weiter hinten lag, wo ein alter, verwitterter Grabstein das älteste Grab kennzeichnete. Er hatte kaum zwei Schritte gemacht, da stieß der Sporn seines Stiefels auf ein kleines Stück Metall. Er erkannte gleich, dass es Elspeths Halskette war, die er vom feuchten Boden aufhob. Sie hatte das Schmuckstück immer um den zierlichen Hals getragen. Jetzt war das Kettchen gerissen, der Anhänger von all den Tagen auf dem feuchten Boden schmutzig und angelaufen.
    Der Verlust würde sie schmerzen, selbst noch im Tode, denn die Kette war ein Geschenk ihres Gemahls gewesen. Kenrick schloss die Finger um das schlichte Schmuckstück, das kühl in seiner Hand ruhte. Da es zu Rands Gemahlin gehörte, war das Mindeste, was er tun konnte, die gerissene goldene Kette zu reparieren und sie dann wieder hierher zurückzubringen.
    Als er die Bänder seines Beutels löste, hörte er ein Rascheln in der Nähe. Vielleicht war es auch nur der Regen gewesen, der mittlerweile ein wenig stärker fiel und die abgerundeten Grabsteine benetzte. Er steckte die Kette in den Beutel und erhob sich. Mit einer raschen Körperdrehung stellte er sicher, dass ihm der alte Mann nicht folgte.
    Niemand war zu sehen. Nur drückende Stille umgab ihn, wie schon in der Kapelle. Rhythmisch untermalt von dem eintönigen Regen.
    Der Dolch fühlte sich schwer und kühl in der Hand an. Das Schwert in dem Gehenk an seiner Seite gab ihm
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