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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt
Autoren: Rita Maria Fust
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Pech … Sie sind immer Außenseiter gewesen. Schon der alte Engerling, der Vater von Wolfgang, war ein … ja, wie soll ich sagen – Kotzbrocken. Mehr noch als der Junge da drin, der ist ein armes Würstchen. Schreit nur laut und tut sonst keinem etwas«, sagt ein alter Mann.
    »Das stimmt nicht«, berichtigt Oliver. »Der Engerling hat mir eine reingehauen, als ich sein Haus ersteigert habe. Noch vor dem Amtsgericht. Hier hatte ich eine Platzwunde.« Oliver zeigt mit dem Finger an seine Augenbraue. Die rosa Narbe ist deutlich zu sehen.
    »Ihnen gehört das Haus jetzt? Schön. Glückwunsch. Willkommen in Lippstadt. Hier regnet es nicht immer so wie heute«, sagt jemand.
    »Ihr Schweine!«, brüllt Wolfgang Engerling, als er in Handschellen aus dem Haus geführt wird. »Das werdet ihr noch alle bereuen! Ich mache euch fertig!«
    »Oje, das kann ja heiter werden«, sagt Oliver mehr zu sich als zu den Schaulustigen.
    »Keine Angst, das ist alles nur heiße Luft. Sie wissen doch, Hunde, die bellen, beißen nicht.«
    »Thielsen, ich komme wieder und mache dich fertig!«, schreit Wolfgang Engerling. Dann wird die Tür des Polizeiwagens geschlossen.
    »Sind Sie das?«, fragt jemand. »Thielsen?«
    »Ja, ich bin Oliver Thielsen«, sagt Oliver und überlegt, was jetzt geschehen würde, wenn er sagen würde, dass er der Urur…enkel des letzten Overkamps ist. Aber er lässt es. Sicher ist sicher.
    »Herr Thielsen«, ruft Michael Breker, »kommen Sie mal bitte!«
    Oliver zieht Annika aus der Gruppe der Schaulustigen und geht in die Kirchgasse.
    »Damit Sie Bescheid wissen«, beginnt Breker, »die Leute vom Umzugsdienst packen jetzt Engerlings Zeug in Kisten. Sie räumen das ganze Haus leer und verladen alles in den Umzugswagen. Dann ist das Ordnungsamt zuständig. Engerling bekommt eine Wohnung zugewiesen, die es extra für solche Fälle gibt. Oder, wenn alle Wohnungen belegt sind, werden die Möbel eingelagert, und Engerling muss zusehen, wo er bleibt. Und wenn es unter einer Brücke ist.«
    »Darf ich jetzt schon rein?«, fragt Oliver, der es nicht mehr abwarten kann.
    »Nein, warten Sie, bis das Haus komplett leer ist. Wenn die Umzugsfirma weg ist, dürfen Sie reingehen. Die Schlüssel gebe ich Ihnen jetzt schon. Ich habe noch einen anderen Termin«, erklärt Breker und drückt Oliver die Schlüssel in die Hand. »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Lassen Sie sofort die Schlösser austauschen. Wolfgang Engerling wird nicht lange in Polizeigewahrsam bleiben. Und wer weiß, ob er nicht noch einen Schlüssel in der Tasche hat. Herr Thielsen, leben Sie sich in Ihrer neuen Heimat gut ein«, sagt Breker und gibt erst Oliver die Hand, dann Annika. »Frau Thielsen, auch für Sie alles Gute im neuen Heim!«
    »Danke«, sagt Annika mit einem Grinsen.
    »Was war das denn jetzt?«, fragt sie Oliver, als der Gerichtsvollzieher außer Hörweite ist. »Hat der nicht zugehört? Du hast mich doch vorgestellt!«
    »Der Breker ist ein kluger Mann, der kann in die Zukunft sehen!«, lacht Oliver.

    »Schließ auf«, fordert Annika ungeduldig, als sie am späten Nachmittag in der Kirchgasse vor Olivers Haus stehen. »Mach schon!«
    »Ich kann nicht. Mir ist ganz schlecht vor lauter Aufregung. Jetzt wird sich herausstellen, ob ich mein Geld richtig investiert habe oder ob ich es zum Fenster rausgeworfen habe«, erklärt Oliver sein Zögern.
    »Komm, gib mir den Schlüssel, ich schließe auf«, bietet Annika an.
    »Auf keinen Fall. Das mache ich selbst«, sagt Oliver bestimmt und steckt den Schlüssel ins Schloss. Zum ersten Mal schließt er sein Haus auf. Sein eigenes Haus. Die Tür quietscht beim Öffnen und schrammt an einer Stelle über den Boden. Alte Holzdielen. Eine Treppe mit dunkelgrünem Teppich führt nach oben. Sie knarzt, als Oliver in die erste Etage geht.
    »Kommst du hoch? Ich muss wissen, welcher Raum nach vorne zur Rathausstraße liegt«, ruft Oliver.
    »Ja. Nicht zu fassen, wie stark man den Rauch der brennenden Mülltonnen hier drinnen riechen kann. Hoffentlich ist das Feuer auch wirklich gelöscht. Rauch mit Engerling-Mief, das ist echt übel«, sagt Annika und schüttelt sich. »Du solltest als Erstes ordentlich lüften!«
    »Anni, komm und sieh dir das an!«, ruft Oliver begeistert. »Das ist der Hammer!«
    Als Annika den Raum betritt, steht Oliver am Fenster und blickt auf den Turm der Großen Marienkirche. Im Licht der Sonne strahlt er weiß und eindrucksvoll.
    »Das ist die gute Stube. Die Bel Etage hat ihren Namen
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