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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt
Autoren: Rita Maria Fust
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verdient. Das ist eindeutig. Allein dieser Ausblick ist das Geld wert«, freut sich Oliver.
    »Knapp 200.000 Euro, um aus einem Fenster den Turm einer Kirche zu sehen? Wenn du meinst«, sagt Annika mit leicht ironischem Ton.
    »Es ist nicht ein Haus und nicht ein Turm. Es ist mein Haus. Mein Overkamp’sches Haus und der Turm der Großen Marienkirche. Hier in meinem Haus hat mein Overkamp mit Familie gelebt, und auch er hatte damals schon den Blick auf diese Kirche«, ereifert sich Oliver.
    »Du hast ja recht. Die Aussicht ist toll. Besser, man schaut nach draußen als nach oben. Kiefer-Vertäfelung an der Decke. Kein Stuck. Kein Kronleuchter, sondern abgeschnittene Kabel. Schau mal, wie kurz die sind. Da kann man doch keine Lampe mehr anbringen. Das war bestimmt Absicht«, ärgert sich Annika.
    »Und schau dir die Tapete an. Der Engerling scheint wie ein Schlot zu rauchen. Hier ist alles Nikotin-Gelb. Oder besser: Nikotin-Braun«, ekelt sich Oliver. »Sogar der Teppich. Alles braun-gelb.«
    »Hey, freu dich doch. Braun-gelb, das kann nur eines bedeuten: Wir haben das Bernstein-Zimmer gefunden. Da wartet die Welt drauf! Du hast nicht nur das Haus, du hast auch noch das verschwundene Zimmer. Du bist ein Glückspilz!«, lacht Annika.
    »Ja, ich bin ein Glückspilz. Ich habe ja dich! Du bist mehr wert als das Bernsteinzimmer«, sagt Oliver ernst und drückt Annika an sich. Am liebsten würde er sie nicht wieder loslassen, doch ein schrilles Klingeln macht den Augenblick kaputt.
    »Das wird der Mann vom Schlüsseldienst sein«, erklärt Oliver.
    »Ja, ich weiß.«
    Nach knapp zehn Minuten ist das Schloss ausgetauscht. Wie schnell so etwas geht!
    »So, Herr Thielsen. Jetzt ist Ihr Haus wieder sicher. Wenn Sie mehr als diese zwei Schlüssel brauchen, kommen Sie in unseren Laden, dann machen wir noch welche nach«, sagt der Mann und drückt Oliver die Schlüssel in die Hand. »Schönen Tag noch«, verabschiedet er sich und geht.
    »Zwei Schlüssel«, sagt Oliver. »Annika, bitte nimm auch einen.«
    »Ich?«, fragt Annika erschrocken. Damit hat sie nicht gerechnet.
    »Dann kannst du immer das wunderschöne Bernsteinzimmer besichtigen. Möchtest du Führungen anbieten?«, lacht Oliver, um den Ernst seines Angebotes etwas zu überspielen.
    »Ja, immer zur vollen Stunde. So machen wir ein Vermögen!«, spinnt Annika den Faden weiter. »Experten aus aller Welt werden kommen, wir können die Exklusivrechte an Zeitungen und Fernsehen verkaufen; das bringt bestimmt viel Geld.«
    »Das ist gut. Wir werden auch ein Vermögen brauchen, wenn wir hier renovieren. Das Haus hat es bitter nötig. Wir haben hier eine Menge zu tun!«, sagt Oliver.
    »Wir?«, hakt Annika nach.
    »Ja, wir«, hofft Oliver unsicher.
    »Okay, wir«, sagt Annika mit einem Lächeln.
    »Wir? Wirklich?«
    »Wir! Wirklich!«

Nachwort zum historischen Teil
    In den Jahren 1764 und ’65 änderte sich viel in Lippstadt. So wurde die Festung auf Befehl Friedrichs des Großen geschleift. Wann aber genau welche Arbeiten vorgenommen wurden, kann heute niemand mehr beantworten. So ist auch nicht exakt zu datieren, wann das Gebäude um das Soest Tor – das heutige Schauroth’sche Palais – entstand.
    Alle Straßen, Gebäude und Orte sind real – mit einer Ausnahme: die Kirchgasse. Es gab nie eine Gasse oder gar Straße an beschriebener Stelle in Lippstadt. Ich habe sie in das Straßennetz der Stadt eingefügt, um Spekulationen vorzubeugen, um welches Gebäude es sich beim Overkamp’schen Haus handeln könnte, welcher vielleicht alteingesessenen Familie es gehörte und gehört …
    Ebenso fiktiv wie die Kirchgasse ist die Familie Overkamp, ihr Schicksal und ihre Bediensteten, einschließlich Bernhard Buersmeyer. Auch die Erpresser Anton Köpner und Caspar Engerling mit seiner Familie sind meiner Fantasie entsprungen.
    Alle anderen Personen lebten in dieser Zeit in Lippstadt und übten die genannten Berufe aus. Über die Charakterzüge dieser Menschen ist nichts überliefert, so auch nicht, ob der Stadt-Syndicus Clüsener tatsächlich so ein Choleriker war, wie von mir dargestellt. Allein seine wüste und ausladende Handschrift ließ in mir das Bild eines durchtriebenen Hitzkopfes entstehen. – Mögen sie alle in Frieden ruhen!
    Die beiden Explosionen gab es tatsächlich – auch mit dem gewaltigen Sachschaden. Laut Quellenlage ging man damals davon aus, dass die beiden Hirten – Hermann aus Bockenforde und Johann Musculus – beim Stehlen des Pulvers unvorsichtig
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