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Der Kandidat [microform] : Komödie in vier Aufzügen nach Flaubert

Der Kandidat [microform] : Komödie in vier Aufzügen nach Flaubert

Titel: Der Kandidat [microform] : Komödie in vier Aufzügen nach Flaubert
Autoren: 1878-1942 Carl Sternheim , 1821-1880. Candidat Gustave Flaubert
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Gott, und wieder packt mich diese plötz-liche Angst, hier in der Magengegend!
    Er trinkt. Es geht vorbei. Vorwärts, keine Schwäche! Also: „Und das sagen Sic mir, mein Herr?!" Beide Hände gegen die Brust gestemmt, beuge ich mich vor. „Ich, der durch vierzig Jahre, dessen völkisches Gefühl voll und ganz, ich — ach, Sic glauben es ja selbst nicht.'' Alles lauscht bewegungslos. Er erwidert; und nun von neuem ich: „Ihre Beweise, Herr! Man spaßt nicht mit der Gut-gläubigkeit solchen Publikums." Ton und Geste bei solchen. Er schweigt. Und jetzt Ironie mit überlegenem Lächeln - das muß ich noch üben: „Allerdings bei diesem Tatbestand gebe ich mich besiegt, vollkommen besiegt." Nun behauptet ein anderer, ich lehne mich gegen irgend etwas auf^ ich untergrabe, erkenne nicht an. Da feuere ich los: „Sic verneinen ja den Fortschritt, Herr! Vom Urmenschen angefangen, vom Neger bis zu Christoph Kolumbus - abgeleiert - Porfirio Diaz, vom bescheidenen Dörfler, der mit saurem Schweiß bis zum Künstler mit seiner großzügigen Inspiration schürft alles . ." „Und die Bourgeoisie?" ruft der dagegen. „Gerade die Bour-geoisie, sie ist der Hort, der Springquell. Goethe mit Schiller waren Bürger." „Und das Volk? Was wird mit dem Volk?'« Höchste Stimmentfaltung jetzt: „Das Volk? das Volk ist groß!'*

    Er schreit so, daß seine Stimme überschlägt. Himmlisch der Gickscr! Den muß ich beibehalten.
    Er wiederholt: „Das Volk ist groß! Wie süß ist es, sein Mittler zu sein; und immer werde ich mit Stolz die schwielige Hand des Arbeiters halten. Ihr Druck ist rauh, doch kommt er aus Nacht und Licht von Herzen," Schlag gegen die Brust. Und wer wir sozial, wer wir politisch sind, der erste Faktor der Würdigkeit ist das Herz, das Menschentum! Bravo! Bravo! Bravo! In diesem Sinne etwa.
    Ein Kellner tritt auf: Herr Russek. sie kommen!
    ZWEITER AUFTRITT
    Ireten auf: Heppner^ Blattgold^ Gistly Uhl^ Schaf er, Huther,
    Bach und andere Wähler.
    HUTHER: Man hätte einen anständigeren Saal mieten können.
    SCHÄFER:
    Es gibt keinen besseren am Platz. Wen werden Sie wählen?
    UHL:
    Vor allem will ich Radau machen.
    DER PRÄSIDENT:
    Meine Herren: Manchem der Männer, die ich hier ver-sammelt sehe, fällt die Entscheidung schwer, ob er bei der Wahl seine Stimme dem Kandidaten der National-liberalen oder dem der fortschrittlichen Volkspartei, die ja beide seiner politischen Überzeugung nicht fernstehen.

    geben soll. Und so hängt von der Persönlichkeit des zu Wählenden und seinen politischen Fähigkeiten in unserem Fall ganz besonders viel ab. Wir werden heute Herrn Russck und morgen Herrn Seidenschnur hören. Die Sitzung ist eröffnet. Der Redner, bitte, hierher hinter diesen Tisch.
    SCHÄFER:
    Ich bitte Herrn Russek, uns etwas über die Eisenbahnen zu sagen.
    RUSSEK, nachdem er einen Schluck Wasser genommen:
    Hätte man zur Zeit Karls oder selbst Friedrichs des Großen behauptet, der Tag werde kommen, an dem es möglich sein würde, in drei Stunden . . .
    SCHÄFER:
    Nein, nicht so! Soll man die Bahn Pöllnitz-Wustrow über Bachwitz oder über Hohenwaldau führen?
    BLATTGOLD:
    Bachwitz ist fiir uns von größerem Vorteil, Erklären Sie sich fiir diese, Herr Russek?
    RUSSEK:
    Natürlich bin ich für den Weg, der möglichst schnell die Weltstädte, den menschlichen Genius mit uns ver-bindet, auf daß Wohlstand in den Schoß imserer Be-völkerung getragen wird.
    GISTL: Bahnen ruinieren den Bauer. Sie dienen der Konkurrenz!
    RUSSEK:
    Sic leugnen also den Fortschritt, Herr? Den Fortschritt, der vom Urmenschen an . . .

    GISTL:
    Und die Frachten ?
    RUSSEK: Bis zu Porfirio Diaz ...
    GISTL; Lassen Sie mich doch ausreden!
    PRÄSIDENT: Das Wort Herrn Gistl!
    GISTL:
    Mit dem Durchjagen der Züge müssen die Reisenden aus unserer Gegend verschwinden. Außerdem wird das Fuhrwesen zugrunde gerichtet. Da sieht man, wie Sie imsere Interessen wahren!
    RUSSEK: Aber ich versichere . . .
    SCHÄFER: Es wird den freien Austausch erleichtern.
    RUSSEK:
    Natürlich. Durch die schnelle Beförderung der Waren kann die Brüderlichkeit des Menschen erst voll imd ganz . . .
    BLATTGOLD: Man muß Leder aus England einfuhren!
    RUSSEK: Und alle Freiheiten!
    WÄHLER LINKS: Freiheit, bravo!

    WÄHLER RECHTS:
    Gott behüte uns! Pfui!
    RUSSEK:
    Möge der Himmel uns Vieh und Getreide in Fülle schenken!
    EIN BAUER:
    Sie meinen es ja gut mit der Landwirtschaft.
    RUSSEK:
    Ich will mich jetzt des Näheren über sie verbreiten.
    Er trinkt,
    UHL von der
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