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Der Kammerjäger

Der Kammerjäger

Titel: Der Kammerjäger
Autoren: Bill Fitzhugh
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ganze Sache so aufregend macht, findest du nicht?» «Ich find es erst aufregend, wenn du deinen ersten Scheck einlöst.»
    Inzwischen war sie für einen weiteren Abend an der Fütterund-Freß-Front bereit. Sie grapschte sich ihre Handtasche und ging nach unten. Bob folgte ihr, in der Hoffnung, die Sache unter Dach und Fach zu bringen.
    Sie kamen in die Küche, wo Katy, ihre zehnjährige Tochter, am Tisch saß. Ihre Aufmerksamkeit sprang zwischen einer Schale Cornflakes, einer Wrestling-Zeitschrift und einem alten Fernseher hin und her, wo gerade MTV lief.
    Katys Spitzname war «Doodlebug», der landläufige Name für die Larve des räuberischen Ameisenlöwen (Hesperoleon abdominalis).
    In ihrem «Doodlebug»-Stadium haben Ameisenlöwen einen ovalen, plumpen Abdomen und einen übergroßen Kopf mit langen dornigen Kiefern, kurzen Beinen und Borsten am ganzen Körper. Aber während der plumpe Abdomen und die übergroße Kopfpartie eine treffende Beschreibung für Katys eigenes Larvenstadium waren, hatte Katy den Spitznamen eigentlich deswegen bekommen, weil sie, als sie klein war, ebenso gefräßig war wie ein Ameisenlöwe.
    Jetzt war Katy endlich in ihren Kopf hineingewachsen. Ihr einstmals plumper und ovaler Abdomen verteilte sich nun über eine Gestalt, die groß für ihr Alter war.
    Katy war eine ideale Kandidatin für jene Untersuchungen, die gerne eine Kausalbeziehung zwischen im Fernsehen gezeigter Gewalt und der Gewalt von Fernsehzuschauern gegenüber ihren Mitmenschen nachweisen möchten.
    In New York aufgewachsen, hatte sie von den zahllosen Greueltaten gehört, gelesen oder sie sogar selbst erlebt, die die Bürger dieser Stadt aneinander verübten. Und seit sie Kabel und CNN hatten, konnte sie sich überzeugen, daß auf der ganzen Welt ein ähnliches Verhalten an derTagesordnung war.
    Katy war dankbar für die neuen Warnsymbole der Fernsehsender. Das erleichterte ihr die Arbeit, diejenigen Fernsehprogramme zu finden, die sie nicht sehen sollte.
    Wenn die Vordenker solcher Organisationen wie «Amerikaner für verantwortungsvolles Fernsehen» mit ihren Theorien richtig lägen, hätte Katy als Folge der ungeheuerlichen Gewalt, die sie über die Medien miterlebt hatte, schon längst ihre beiden Eltern, mehrere Nachbarn und einige Haustiere aus der Nachbarschaft umgebracht haben müssen. Tatsächlich war aber das Gewalttätigste, in das Katy jemals direkt verwickelt gewesen war, eine Tracht Prügel, die sie bezogen hatte, als sie die Nacht mit Ann verbrachte, einer molligen Freundin von ihrer Pfadfinderinnentruppe.
    Anns Mutter Lillian war selbst nach Maßstäben der politischen Korrektheit ein überängstlicher Bottich Schmalz, der oft bei Elternabenden gesichtet wurde, wo sie einen verblichenen geblümten Rock trug und versuchte, den Fänger im Roggen aus der Schulbibliothek entfernen zu lassen.
    Am fraglichen Abend lieh Lillian zwei ihrer Lieblingsfilme aus, die sich die Mädchen ansehen konnten: Im Zirkus der drei Manegen, ein typisch dröges Schlockfest mit Zsa Zsa Gabor in der Hauptrolle, und Polly 0/ the Circus, ein schlechtes Vehikel für Marion Davies als libidinöse Trapezkünstlerin und mit Clark Gable als dem Priester, dem sie hinterherlibidinierte.
    Lillian teilte rote Schaumstoff-Clownnasen und Tüten mit Erdnüssen an die Mädchen aus, und dann ließen sie sich zu ihrem Zirkus-Doppelschlag nieder. Wahrend Lillian über den ganzen gräßlichen Klamauk des ersteren wieherte und bei der entsetzlichen Melodramatik des letzteren dahinschmolz, steckten sich Katy und Ann die Zeigefinger in den Mund, die internationale Geste für «Ich kann gar nicht soviel in mich stopfen, wie ich kotzen möchte».
    Nachdem Lillian den Raum verlassen hatte, um sich ihre fünfte Tüte Erdnüsse zu holen, überredete Katy ihre Freundin, trotz des mütterlichen Verbots auf «Cops» umzuschalten.
    Als Lillian wiederkam, drohte ihr Zartgefühl bleibenden Schaden zu nehmen, da sie Zeugin der Festnahme eines Mannes werden mußte, dem vorsätzliche Körperverletzung zur Last gelegt wurde. Das letzte, was der Beschuldigte sagte, bevor Lillian zu der libidinösen Trapezkünstlerin zurückschaltete, war: «Wenn einer meine Schwester verprügeln will, dann muß er sie zuerst heiraten.»
    Sowohl Katy als auch Ann bekamen eine Tracht Prügel und wurden sofort ins Bett geschickt. Einzig und allein Katy erkannte die Paradoxie, die in dieser erzieherischen Maßnahme lag.
    Jedenfalls, wenn man den Fachleuten zum Thema Gewalt im Fernsehen
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