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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf
Autoren: Sophie Hannah
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dass sie Weihnachten unbedingt im Kreis der gesamten Großfamilie feiern will? Zudem wollte sie, dass ihre Mutter ihr Testament zugunsten von Ritchie änderte – indem sie zeigte, dass sie genug Geld übrig hatte, um einen Riesenkasten als Ferienhaus zu mieten, zeigte sie auch, dass sie und Neil nicht unter Geldmangel litten, während ihr Bruder das Geld ganz offensichtlich gut gebrauchen konnte.«
    »Die Symbolik hat Hilary offenbar nicht überzeugt«, bemerkte Charlie.
    »Nein. Hilary lehnte ab, und Jo konnte nicht damit umgehen, konnte aber auch nicht offen und ehrlich mit ihrer Familie über ihre Wünsche und Bedürfnisse sprechen. Stattdessen erlitt sie einen kleineren Nervenzusammenbruch und beschloss, mit ihrem Mann und den Kindern zu verschwinden. Nach zwei Nächten und einem Tag auf der Flucht wird sie sich ausreichend erholt haben, um zu erkennen, dass Flucht keine Lösung sein konnte. Sie kehrte in ihr Leben zurück und tat so, als wäre gar nichts gewesen.«
    »Um dann was zu tun?«, fragte Charlie. »Fünf Jahre zu warten, dann einen Mord zu planen und zu begehen, um dann zwei Jahre später noch einen Mord zu begehen?«
    »Klingt außergewöhnlich, oder?«, sagte Ginny. »Es sei denn, man ist Jo, dann ist es vollkommen verständlich. Sie hat Kirsty kein Haar gekrümmt. Sie wusste, damit wäre sie in den Augen ihrer Mutter für immer erledigt gewesen. Und es gab ja noch andere Optionen. Hilary vermittelte Jo während ihrer ganzen Kindheit eine ganz klare Botschaft: Es gab nur eins, was zählte – sich um Kirsty zu kümmern. Alles und jeder andere war unwichtig. Wenn Jo selbst also nicht wichtig war, warum sollte dann das Leben von Sharon Lendrim und Katharine Allen irgendetwas wert sein? Warum also sollte Jo nicht das Risiko auf sich nehmen, zwei Morde zu begehen? Sie hatte ihre Mutter nie sagen hören, dass sie, Jo, nicht in irgendeiner Einrichtung landen dürfe, im Gefängnis oder in der Psychiatrie. Kirsty ist diejenige, die nicht abgeschoben werden darf, die zu Hause gepflegt werden muss, eingehüllt in die Liebe ihrer Angehörigen, solange diese Angehörigen noch einen Atemzug in sich haben.«
    Charlie starrte auf die geschlossene Tür des Vernehmungsraums. Dieser Teil des Präsidiums war neu und gut schallgedämmt. Man konnte unmöglich sagen, was da drin vor sich ging.
    »Danke, dass Sie uns Ihre Zeit geopfert haben«, sagte sie. »Eigentlich sollte Simon sich bei Ihnen bedanken, aber das wird er nicht tun.«
    »Machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken«, sagte Ginny und deutete auf die Tür. »Tun Sie, was Sie können, um Jo zu helfen, was immer sie auch getan haben mag. Und verleugnen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse nicht. Das ist der direkte Weg in die Tragödie.«
*
    »Transitive und intransitive Relationen«, sagte Simon, der im Raum auf und ab ging. Die Anwältin hatte ihren Stuhl in eine Ecke gerückt, so weit entfernt vom Geschehen wie irgend möglich. »William hat es mir erklärt. Gewinnt Jo irgendetwas durch Sharons Tod? Nein. Amber gewinnt etwas: Sie bekommt Dinah und Nonie. Gewinnt Jo etwas durch Pams Tod? Wieder nein. Jo bekommt Quentin, aber das ist kein Gewinn. Es ist eine Bürde, ein Albtraum.« Er beugte sich über den Tisch und sah in die leeren Augen der sabbernden Kreatur vor sich. »Aber genau das war Ihre Taktik, nicht wahr? Wenn es Ihnen schlecht dabei geht, wenn Sie durch die Hölle gehen, dann können Sie sich das unmöglich gewünscht haben – das sollten jedenfalls alle denken, oder? Sie verstoßen gegen Ihre Prinzipien, um Amber zu retten, indem Sie an ihrer Stelle an einem Verkehrserziehungskurs teilnehmen, und haben panische Angst davor, dass das rauskommen könnte. Sie flehen mich an, es niemandem zu erzählen, damit mir ja nicht der Gedanke kommt, dass Sie vielleicht gar nicht bei diesem Kurs waren. Das perfekte Alibi. Sie sind so sichtbar bemüht, Ihr Geheimnis zu bewahren, Ihre Schuld zu verbergen, dass ich annehmen muss, es ist die Wahrheit. Denn wer macht sich schon die Mühe, etwas geheim halten zu wollen, das gar nicht stattgefunden hat?
    Wenn Amber und Luke nach Pams Tod alle Hände voll damit zu tun haben, sich um Sharons Kinder zu kümmern, kommt es gar nicht in Frage, dass sie auch noch Quentin aufnehmen. Ambers Gästezimmer ist belegt, es ist jetzt das Kinderzimmer. Ihre Söhne hingegen können sich ein Zimmer teilen, damit Platz für Quentin ist. Wenn Sie Quentin dann erst einmal bei sich haben und Ihr Haus voll ist, wie könnte da irgendjemand von
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