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Der Kalte Kuss Des Todes

Der Kalte Kuss Des Todes

Titel: Der Kalte Kuss Des Todes
Autoren: Suzanne McLeod
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Oberfläche nach einem Schwachpunkt ab – direkt vor mir, nur etwa anderthalb Meter entfernt. Ich unterdrückte ein Schaudern und rutschte unruhig auf meinem Liegestuhl hin und her. Als er merkte, dass kein Durchkommen war, schob er sich an der Kuppel entlang an uns vorbei, bis er
zu seiner üblichen Route zurückkehrte. Dann schlurfte er davon.
    Mit einem Seufzer der Erleichterung gab ich die Zeit seines Erscheinens neben seinem Namen – Scarface – in meinen Laptop ein. Um ganz sicherzugehen, kopierte ich die Daten auf meinen Pad. Der Laptop war zwar mit einem extrastarken Schutzkristall ausgestattet, aber es musste bloß was schiefgehen – eine magische Irritation -, und ich säße mit einem geknackten Laptop, einer toten Festplatte und einer unwiederbringlich verlorenen Geisterzählung da.
    Mit dem Stift auf mein Pad klopfend, fragte ich mich wohl zum hundertsten Mal, wie es kam, dass ich meine Nächte unter der London Bridge beim Geisterzählen verbringen musste. Vor allem angesichts meiner unheimlichen Begegnungen mit Cosette. Und das hier waren nicht irgendwelche Geister – es waren die Geister von Pestkranken aus dem vierzehnten Jahrhundert. Meine Phobie ist schwer genug zu ertragen, wenn die Toten normal aussehen, auf das ganze Zeug, das einem den Magen umdreht, kann ich gut und gerne verzichten. Ganz zu schweigen davon, dass wir hier tief unter den Brückenfundamenten saßen, in den sogenannten Katakomben.
    Unsere Liegestühle standen direkt auf den Massengräbern der Pestopfer.
    Konnte meine Nacht noch schlimmer werden?
    »Das ist jetzt das fünfte Mal, dass er das gemacht hat«, sagte ich und zeichnete ein kleines Edvard-Munch-Gesicht mit weit aufgerissenem Mund an den Rand meines Blocks. »Ich hatte gehofft, dass er mittlerweile kapiert hat, dass hier ein Hindernis ist.«
    Finn blickte abwesend von seinem Buch auf – einer Historie der London Bridge -, und mein Herz machte den üblichen närrischen Hopser. Ich hielt ihm die übliche Standpauke:
Klar, Finn war ein attraktiver Mann – besser gesagt, Satyr -, und viele Frauen – und nicht wenige Männer – wurden beim Anblick seiner starken, männlichen Gesichtszüge schwach. Und nicht nur bei seinem Gesicht: seine breiten Schultern, die muskulösen Oberarme, die sein dunkelblaues T-Shirt zu sprengen drohten. Selbst seine Hörner, die etwa drei Zentimeter aus seinen lockigen, dunkelblonden Haaren ragten, wirkten attraktiv und verstärkten seine Männlichkeit.
    Aber diese sexy Schale war bloß Schein. Es war sein üblicher Glamour , seine magische Maske, mit der er menschlicher zu erscheinen versuchte. Seine engsitzenden, ausgewaschenen Jeans gaben keinen Hinweis darauf, dass seine Beine normalerweise mit einem glänzenden braunen Fell bedeckt waren und er einen Schwanz hatte (noch einen, meine ich).
    Das ist bloß Schein , ermahnte ich mich, nichts, was dir Herzklopfen machen sollte . Ja klar, als ob ich mir das abnahm. Und das Schlimmste war, dass seine wahre Gestalt nicht weniger attraktiv war – nur wilder, unzivilisierter eben. Aber sein Glamour machte es ihm leichter, sich in der Menschenwelt zu bewegen. Ein bisschen Andersartigkeit war okay – ja, es erhöhte sogar den Appeal -, aber zu viel, und die Monster namens Voreingenommenheit und Vorurteil hoben ihre hässlichen Häupter, und die Menschen griffen nach ihren nicht sehr metaphorischen Heugabeln.
    Kacke. Wenn das so weiterging, wurde ich noch zum Pessimisten. Kein Wunder, wenn mir gehässige Truthennen und paranoide Nachbarn das Leben schwer machen.
    »Wer hat was gemacht?« Zwischen Finns Brauen erschien eine feine Linie.
    Ich seufzte. Vielleicht lag’s ja auch daran, dass ich hier mit einem heißen Satyr zusammensaß, der das Interesse an mir verloren zu haben schien. Früher hatte er sich ständig an mich rangemacht, es war mir mitunter fast zu viel geworden. Nicht,
dass ich nicht hätte nachgeben wollen – ich hatte mir nicht etwas Langfristiges erhofft, natürlich, aber zumindest ein hübsches Hier und Jetzt. Doch aufgrund meines kleinen Geheimnisses hatte ich immer nein sagen müssen.
    Dann war diese Sache mit Mister Oktober passiert. Finn hatte wie üblich den Ritter in schimmernder Rüstung spielen und mich retten wollen. In einem letzten verzweifelten Versuch, ihn abzuschrecken, hatte ich ihm verraten, dass es sinnlos war, mich vor den Vampiren retten zu wollen, da mein Paps einer von ihnen war und ich früher oder später auf die eine oder andere Weise wieder im Schoß der
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